Karben. Aufgepasst, Fußgänger und Radfahrer an der Nidda in Okarben! Dort greift ein Mäusebussard Passanten an. Mindestens vier Angriffe gab es schon. Unter anderem auf Arzthelferin Sigrid Schulmeyer (51) aus Büdesheim – Schock! „Das war wie bei Hitchcock.“
Die Mittagspause nutzt Sigrid Schulmeyer am liebsten zum Joggen. Seit 15 Jahren schon hält sie sich so fit. Wie viele andere schätzt sie die Route durch den Kärber Wald. „Aber den Selzerbachweg hinauf ist es recht steil und da habe ich nicht immer Lust drauf“, sagt die Arzthelferin und lacht. Viele Kärber kennen dieses fröhliche Lachen gut: Seit 30 Jahren arbeitet die Büdesheimerin in der Stadt, seit 15 Jahren in der Praxis von Hausärztin Manuela Dick in Klein-Karben im Karbener Weg.
Doch an diesem Mittag gibt es für Sigrid Schulmeyer nichts zu lachen. Weil es so warm ist, läuft sie nicht bergan in den Wald, sondern auf den Niddauferweg. Sie überquert die Okarbener Brücke.
„So nach 300, 400 Metern bekam ich plötzlich einen Riesenschlag auf den Hinterkopf, wie ein Schock, sehr unangenehm.“ Ein brennender Schmerz durchzuckt den Kopf. Die Arzthelferin erschrickt, befürchtet einen Überfall. „In dem Moment fliegt aber der Vogel über mich hinweg.“
Sigrid Schulmeyer kann es nicht fassen: Soeben hat sie ein Bussard angegriffen! „Ich hatte von einer anderen Läuferin gehört, dass das passiert sein soll“, sagt sie. „Aber ich dachte immer: Die spinnt.“
Sie sponn offenkundig nicht: Von mindestens vier Bussard-Angriffen habe sie inzwischen gehört, berichtet Schulmeyer. Genug, dass nun die Stadt offiziell vor den Angriffen warnt: „Vorsicht vor Bussarden“, rät Heidi Reuther aus dem Rathaus. „Vermutlich fühlt sich ein in diesem Bereich ansässiges Bussardpaar durch die Jogger so bedroht, dass es zu den Attacken kam.“ Das sei „ganz selten, aber es kommt vor“, erklärt Jürgen Becker, Vorsitzender des Naturschutzbundes Nabu in Karben.
Die Bindung zu ihren Jungen sei so eng, dass die erwachsenen Bussarde ihre Angst überwinden und gar größere Tiere angriffen – in diesem Fall eben die deutlich größeren Menschen. „Er greift nicht an um zu töten, sondern um den Eindringling zu verjagen“, erklärt Becker. Denn der Horst liege vermutlich dicht am Rand des stark frequentierten Niddaradweges.
Wie lange noch Bussardangriffe drohen, ist unklar: Die ersten Hinweise darauf sind schon einige Wochen alt. Wohl Mitte Mai seien die Jungen geschlüpft. „Danach bleiben sie noch 42 bis 49 Tage im Nest“, das die Elterntiere dann verteidigten, erklärt Reuther. Danach könne es bis zu zehn Wochen dauern, bis die Jungen sich selbst versorgten. Die Folgen des Angriffs waren bei Sigrid Schulmeyer gering: „Es blutete schon“, räumt sie ein. Doch ihre Chefin Dr. Dick habe Entwarnung gegeben – und eine Tetanus-Auffrischung.
Damit besonders ältere Menschen nicht erschrecken, ist die Arzthelferin dankbar für die offizielle Warnung der Stadt. Denn gerade Senioren könnten Jürgen Beckers Ratschlag wohl kaum berücksichtigen: „Spaziergänger sollten möglichst schnell verschwinden.“ (den)