Bad Vilbel / Karben / Schöneck. Nach den Unwettern aus der Nacht zu Donnerstag der Vorwoche hatten die Wetterauer viel aufzuräumen: Keller standen unter Wasser, Bäume waren umgekippt und Schlamm flutete Straßen, Grundstücke und Häuser. In Karben stoppte ein Blitzeinschlag die Produktion bei Contitech. 300 Feuerwehrleute waren in der Nacht im Einsatz.
„So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Zivi Janosch Meyer (21) aus Groß-Karben versucht mit der Schaufel, den Schlamm vom Hof des Pfadfinderlagers Lilienwald in Petterweil zu kratzen. Der Schlamm benachbarter Felder war bis in die Küche, Bad und Aufenthaltsraum gelaufen.
„Das war vielleicht eine Bescherung“, berichtet Silke Heiland von der Klein-Karbener Kita Wirbelwind. Wie jedes Jahr wollte die Kita mit ihren Schulaspiranten im Lilienwald eine Abschlussfeier machen. „Mit Übernachten.“ Doch als sie morgens im Zeltlager ankamen, sahen sie das Unglück: überall Schlamm. Kurzentschlossen griffen Eltern und Helfer der Pfadfinder zu Schaufeln, Putzlappen und Dampfstrahler.
Wie in Petterweil mussten viele Wetterauer aufräumen: Eine Gewitterfront mit sintflutartigem Regen war ab Mitternacht von Süden her die Wetterau hinaufgezogen. „Besonders der Bereich von Bad Vilbel über Rosbach und Bad Nauheim bis Butzbach war betroffen“, sagt Kreisbrandinspektor Ottfried Hartmann. Zwischen Butzbach und Bad Nauheim wurde die Autobahn A 5 überflutet, war eine halbe Stunde lang unpassierbar, so Polizeisprecher Jörg Reinemer. Autos blieben im Wasser liegen. Großen Schaden verursachte das Unwetter in Klein-Karben: Nachdem ein Blitz in eine Stromleitung einschlug und eine Überspannung durchs Stromnetz fegte, brannte ein Trafo bei Contitech durch. Weg war der Strom im Techno-Chemie-Werk. „Als Folge mussten wir um zwei Uhr die Nachtschicht heimschicken“, erläutert Contitech-Sprecher Mario Töpfer. Mehr als 100 Mitarbeiter waren betroffen.
Wie hoch der Schaden am Trafo und durch den Produktionsausfall ist, konnte Töpfer nicht beziffern. „Darüber möchten wir nicht sprechen“, antwortet Energieversorger Ovag aus Friedberg auf die Frage nach der Schadenshöhe.
Die Unwetterfront aber habe „relativ viele Blitzeinschläge“ zur Folge gehabt, erläutert Anne Naumann von der Ovag. Zehnmal erwischten Blitze Stromleitungen in der Wetterau.
Das führte sowohl zu Überspannungen wie auch zu „vereinzelten Stromausfällen“ vor allem im Westkreis, die aber alle „schnell behoben werden konnten“. Der Blitzeinschlag in die Freileitung bei Contitech führte übrigens in großen Teilen Karbens und in Dortelweil zu einer Überspannung. Diese macht Karbens Stadtbrandinspektor Thomas Bier auch für den Brand eines Stromzählerkasten in einem Haus in der Justus-Liebig-Straße in Klein-Karben verantwortlich.
Im benachbarten Büdesheim musste die Schönecker Feuerwehr einen umgestürzten Baum absichern, der auf ein Haus zu fallen drohte. In der Kilianstädter Straße stand eine Einliegerwohnung fünf Zentimeter unter Wasser, das die Wehr abpumpte. 60 Einsätze vermelden die Wetterauer Feuerwehren. Unter anderem pumpten sie drei Keller in der Vilbeler Straße in Petterweil leer, darunter den des Nahkauf-Marktes. „Wir haben das meiste schon auf Regalen stehen“, berichtet Inhaberin Sabine Lenz.
Doch durch die Oberlichter drückte Wasser herein. Einige Waren muss Lenz abschreiben: Nudeln, Kartons, Postpäckchen sind durchweicht. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, bilanziert Feuerwehrchef Bier.
Und Zivi Janosch Meyer im Pfadfinderlager Lilienwald ist zwar über und über von Schlammspritzern bedeckt. Aber er ist erleichtert: „Teure Schäden scheint es nicht zu geben.“