Bad Vilbel. Um 18.48 Uhr stand es am Sonntagabend fest: Obwohl die Brückengegner deutlich in der Mehrheit waren, fehlten ihnen am Schluss 311 Stimmen, um das Bauprojekt über der Nidda zu kippen. Über 70 Menschen erlebten nach 18 Uhr einen Auszählkrimi im Sitzungssaal des Rathauses. Nur zwölf Minuten nach Schließung der 28 Wahllokale ging das erste Ergebnis ein. Es kam vom Wahlbezirk 21 in der Gronauer Kita „Löwenburg“. Obwohl es noch nicht besonders aussagekräftig war, deutete sich bereits die Tendenz an. 163 Bürger (59,1 Prozent) hatten dort mit „Ja“, nur 113 (40,9 Prozent) mit „Nein“ gestimmt. Keiner konnte zu diesem Zeitpunkt wissen, dass das vorläufige Endergebnis mit 57,2 zu 42,8 Prozent nur um zwei Prozent davon abweichen würde.
Da jedoch mindestens ein Viertel der 23 807 wahlberechtigten Bürger mit „Ja“ hätte stimmen müssen, damit der Bürgerentscheid erfolgreich gewesen wäre, begann bald das große Rechnen, ob genügend Wähler zu den Urnen gegangen waren. Genau daran scheiterte die Bürgerinitiative schließlich. Statt der erforderlichen 5952 Ja-Stimmen wurden am Schluss nur 5641 gezählt. Ein Grund für Ehrenstadtrat Klaus Kroner (SPD) beim Wahlausschuss zu beantragen, die Briefwahl nochmals nachzuzählen. „Das ist bei diesem knappen Ergebnis kein Misstrauen, sondern Verantwortung gegenüber all jenen, die das Bürgerbegehren unterstützt haben“, sagte Kroner.
„Ich bin davon ausgegangen, dass das Ergebnis so sein wird“, erklärte Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr (CDU) aus seinem Urlaubsort. Die Initiative Innenstadt habe ihr Ziel nicht erreicht. Im Scheitern des Bürgerentscheids sehe er „einen klaren Auftrag, sich mit voller Kraft zusammen mit der Verwaltung, mit Investor Hansgeorg Jehner und den Stadtwerken für die Umsetzung der Neuen Mitte einzusetzen“.
Ebenfalls als Sieger fühlte sich einer der Sprecher der Bürgerinitiative, Hans-Joachim Lotz. „Wir haben nur 311 Stimmen zu wenig. Dieses Ergebnis hätte uns keiner zugetraut!“ Gegenüber 3523 Unterschriften zur Einleitung des Bürgerbegehrens sei die Zahl der Unterstützer bei der gestrigen Abstimmung noch um 50 % gestiegen. Dies grenze an ein „kommunalpolitisches Wunder“, obwohl gegen eine Übermacht an Geld und Plakaten anzukämpfen gewesen sei. „Das Ergebnis ist super. Ich gehe erhobenen Hauptes aus dem Rathaus“, sagte Lotz. „Wir sollten das Ergebnis sacken lassen. Besonders der Investor, der die Bürger beim Bau der Mediathekbrücke mitnehmen wollte, sollte sich noch einmal überlegen, ob die Planung gelungen ist“, so SPD-Fraktionschef Rainer Fich.
„Jetzt wirklich loslegen“ will am liebsten gleich heute Wirtschaftsförderer Rüdiger Wiechers (CDU). „Wir müssen sehen, dass wir endlich voran kommen.“ Die demokratische Entscheidung bestätige das vom Parlament beschlossene Konzept „Neue Mitte“ mit der Brückenmediathek als „finale Krönung“.
Auch aus der Sicht des CDU-Vorsitzenden und Landtagsabgeordneten Tobias Utter ist nun „klar, was zu tun ist“. Er bedauere, dass durch den Bürgerentscheid Zeit verloren gegangen ist und die Vollendung der Neuen Mitte verzögert worden ist. Utter sprach von einer „historischen Entscheidung“, die dazu beitrage, dass Bad Vilbel mit einer attraktiven Neuen Mitte nicht nur Wohn-, Kultur- und Arbeitsort, sondern auch Einkaufsstadt bleibt. Er geht davon aus, dass mit dem Bau im Frühjahr 2011 begonnen wird.
Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann will nach dem klaren Ergebnis die vorübergehend bei Seite gelegten Pläne wieder aus der Schublade holen, um in der Planungsarbeit für die Mediathek weiter fortzuschreiten.
Auch wenn der Bürgerentscheid am 25-Prozent-Quorum gescheitert ist, sieht Rainer Fich im Stimmenergebnis „die erste Abstimmung seit 33 Jahren, die die CDU nicht deutlich gewonnen hat“. Er erwarte, dass sich bei der Kommunalwahl 2011 „die Mehrheiten verändern – ach was, die haben sich heute schon verändert“.
Das Ausmaß des Erfolgs verdeutlichte Lotz mit dem Hinweis, dass der gemeinsame Bürgermeisterkandidat von Grünen und SPD bei der Wahl im Februar nur 2804 Stimmen hatte. Die 5641 Ja-Stimmen beim Bürgerentscheid seien nur 1000 weniger als der Bürgermeister errungen und als großen Sieg gefeiert habe. „Die absolute Mehrheit der CDU ist nächstes Jahr zu brechen.“
Auch Clifford Mattern, Vorsitzender der Bad Vilbeler Grünen, der das knappe Ergebnis „schade“ findet, sagte, die CDU sei „gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen“.
Die Wahlbeteiligung war erwartungsgemäß in der Kernstadt am höchsten und zugleich die Ablehnung der Mediathekbrücke mit 60 % am deutlichsten. Mit 31,7 % haben in Dortelweil die wenigsten Bürger abgestimmt. Zugleich war dort das Ergebnis am knappsten: 50,9 % stimmten mit „Ja“, 49,1 mit „Nein“.
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