Bad Vilbel. Erstaunlich diszipliniert stellten sich Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) und seine Herausforderer Gesine Wambach (FDP), Manfred Manthey (FW), Helmut Betschel-Pflügel und Helge Welker (beide unabhängig) den überraschenden Fragen der Moderatoren, Redaktionsleiter der FNP, Thomas Schwarz, und des Bad Vilbeler Anzeigers, Horst Samson, sowie des Publikums. Sie äußerten sich zu sechs Themenfeldern.
Wichtiger als ein Architektenwettbewerb sind nach Stöhrs Überzeugung zur Gestaltung der Neuen Mitte Investoren. Wenn es sich dabei um eine Stiftung handelt, die „gutes Stiftungskapital auf der Kante“ habe, sei dies ein glücklicher Umstand. Betschel-Pflügel wandte sich vor allem gegen den „Mediathek-Glaskasten“, der im Sommer mit Hitze und im Winter mit Wärmeverlusten zu kämpfen habe, außerdem blichen dort die Bücher aus. Seiner Ansicht nach sollte die Mediathek ins Kurhaus.
Planung und Architektur der Mediathek hält Wambach hingegen für „sehr gelungen“. Sie sei geeignet, als Ankerbetrieb die Innenstadt zu beleben. Dennoch wolle sie eine Entscheidung mit den Bürgern abstimmen. „Gemeinsam mit den Bürgern die Neue Mitte gestalten“ will auch Manthey. Welker hingegen sieht den Zentralparkplatz als Grünfläche mit Konzertmuschel, die Frankfurter Straße als belebte Fußgängerzone nach dem Vorbild der Zeil und als Frequenzbringer „im Halbscherz“ eine Seilbahn auf den Niederberg, die nicht weniger Besucher anziehe als eine Mediathek-Brücke.
„Nicht weniger Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung als anderswo“ sieht Stöhr in Bad Vilbel. Allerdings könne die Kommunikation immer verbessert werden. Zeitnähere Informationen und regelmäßige Bürgergespräche verspricht Wambach für den Fall ihrer Wahl. Dass in Bad Vilbel auf diesem Gebiet „einiges schief läuft“, leitet Betschel-Pflügel aus der Entstehung verschiedener Bürgerinitiativen ab. Für die Neue Mitte hätte Bürgerbeteiligung bedeutet: Information und Diskussion verschiedener Architektenentwürfe. Manthey deutet das Verhalten Stöhrs gegenüber den Bürgerinitiativen als „Bürgerferne, wenn nicht gar Angst vor den Bürgern“. Es sei gut, wenn Bürger sich – auch finanziell – ins Zeug legten, meinte Welker. Allerdings dürften daran keine Bedingungen geknüpft sein. Bad Vilbel werde „von Herren hinter dem Bürgermeister regiert“.
Aus den Zuschauerreihen fragte Christina Frischholz die Kandidaten nach ihrer Meinung zu einem Ortsbeirat Kernstadt. Stöhr sieht darin „keine Notwendigkeit“, weil „das Rathaus als Anlaufpunkt“ zur Verfügung stehe und weil die Bad Vilbeler Stadtverordnetenversammlung personell wie thematisch einen Schwerpunkt auf der Kernstadt habe. Alle anderen sprachen sich dafür aus: „Warum nicht?“, fragte Welker, „100 Prozent dafür“, ist Manthey, „ich unterstütze das“, so Wambach. Betschel-Pflügel will „die politische Kultur wie in den Stadtteilen auch in der Kernstadt pflegen“.
Im Hinblick auf Wirtschaft und Verkehr sieht Stöhr Bad Vilbel „gut im Rennen in Konkurrenz mit anderen Städten“, wie die Entscheidung von Radeberger gezeigt habe. Viele andere Betriebe seien dadurch auf Vilbel aufmerksam geworden. Der Quellenpark werde in den nächsten zehn Jahren ein gutes Standbein für die Entwicklung von Arbeitsplätzen und Steuerkraft darstellen. 6,6 der 34 Hektar Gewerbefläche seien verkauft.
40 der derzeit etwa 66 Millionen Euro Schulden der Stadt seien dort rentierlich vorinvestiert. Dazu seien Kläranlage und Kanal belastet, doch sämtliche Kindergärten, Straßen und Bürgerhäuser seien schuldenfrei. Dennoch müsse in schwierigen Zeiten der Wirtschaftskrise gespart werden. „Erschreckend“ nannte Wambach den Rückgang der Gewerbesteuer – ein Zeichen, dass dringend Gewerbe angesiedelt werden müsse. „Ohne ein mustergültiges Konzept zu haben“, könne sie sich ein „Gründerzentrum für innovative Energien“ vorstellen. Kleinere und mittlere Betriebe würde Manthey bevorzugen. Um zu sparen, dürfe es keine Tabus geben. Er würde im Fall seiner Wahl Kassensturz machen und dann „verfahren, wie jeder Private: nur ausgeben, was da ist“. Ähnliches schwebt Welker vor: „Kleine und mittlere Betriebe in der regenerativen Branche“. Zusätzlich würde er die Stadtwerke in eine Genossenschaft umwandeln und sofort aus dem Kohlekraftwerk Lubmin aussteigen.
Um zu sparen, bedarf es, so Manthey, keiner Streichungen in der Kultur, aber einer effektiveren Nutzung des Vorhandenen, etwa des Kurhauses. Betschel-Pflügel hält „eine deutliche Erhöhung der Eintrittspreise zu den Burgfestspielen“ für nötig. Stöhr sieht Potenzial darin, Vereine zu eigenen Leistungen heran zu ziehen.
Für das Amt des Bürgermeisters geeignet halten sich alle fünf Bewerber. Wambach möchte „gestalten und zusammen mit den Bürgern etwas bewegen. „Ich weiß als alleinerziehender Vater am besten, wie man mit Geld umgeht“, ist Welker überzeugt. Manthey möchte seine „Erfahrung, wie man als selbstständiger Unternehmer seit 30 Jahren schwarze Zahlen schreibt“, für die Stadt zur Verfügung stellen.
Betschel-Pflügel hat „schon als VHS-Dezernent aus Miesen ein Plus gemacht“ und geht als Schuldezernent „mit einem 80-Millionen-Etat um“. Stöhr hat „den Wählern vor sechs Jahren versprochen, länger als eine Periode an der Spitze meiner Heimatstadt zu arbeiten“. Begonnene Projekte möchte er vollenden.
Welche Ergebnisse sie bei der Bürgermeisterwahl am 21. Februar holen werden, darüber gingen die Einschätzungen der Kandidaten weit auseinander. „Wirklich nichts sagen“ konnte Stöhr wegen der „völlig neuen Konstellation mit fünf Kandidaten“. Wambach geht von „einem guten Ergebnis“ aus. Etwas konkreter wird Betschel-Pflügel: „Genug für eine Stichwahl.“ Noch genauer weiß es Welker: „50 plus x, allein schon, weil die Menschen wieder mehr Bürgersinn entwickeln möchten.“ Sportlich gab sich Manthey. Er wollte keine Prognose abgeben, hofft aber, „dass der Beste gewinnt“.