Bad Vilbel. Erinnerungen wurden wach bei Alt-Bürgermeister Erich Glück, als am 18. Januar das ehemalige Bürgermeisterzimmer im Alten Rathaus seiner neuen Bestimmung als Seminarraum übergeben wurde. Elf Jahre lang von 1968 bis zum vorletzten Jahr seiner Amtszeit 1979 hat er im Eckzimmer im ersten Stock seine Arbeitstage verbracht. Nun hängt dort sein Konterfei zwischen seinen Vorgängern Bernhard Rechthien (1919 bis 1928), Kurt Moosdorf (1928 bis 1933 und 1946 bis 1955), Karl Bruder (1945 bis 1946), Georg Muth (1955 bis 1968) und seinem Nachfolger Günther Biwer (1980 bis 2004).
Die Filmplakatmalerin Gudrun Rollnik hat die Kohlezeichnungen nach Fotovorlagen geschaffen. Glück gefällt das Ambiente und Biwer sieht in der „Ahnengalerie“ eine „Darstellung der überschaubaren Entwicklung der familiären Wohlfühl-Stadt mit ihren Oberhäuptern“. Der amtierende Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU), der den Bitten der Künstlerin nach einem Bild noch nicht entsprochen hat, erinnerte daran, dass drei der gerahmten Bürgermeisterbilder – Moosdorf, Muth und Glück – früher im Treppenhaus hingen. Im Zuge der Sanierung des Alten Rathauses, die auch eine neue Beleuchtung für den Aufgangsbereich beinhaltete, sei die Chance ergriffen worden, ihnen einen würdigeren Platz zu geben und sie als Zeichen der kommunalen Selbstverwaltung um ihre Amtskollegen seit Einführung der Republik zu ergänzen. Die Galerie, insbesondere mit Blick auf heutigen Stadtteile, bedeute nicht, dass es sonst keine demokratisch legitimierten Bürgermeister gegeben habe, unterstrich Kulturamtsleiter Claus Kunzmann, aber es habe ein Anfangspunkt gesetzt und eine Auswahl getroffen werden müssen. Die „älteren Bilder“ hat Rollnik bereits vor 24 Jahren gezeichnet, die fehlenden von Rechthien, Bruder und Biwer im vergangenen Jahr ergänzt.
„Unter teilweise schwierigen Bedingungen“, wie sie sagte. Denn von dem durch die amerikanischen Besatzer eingesetzten Karl Bruder habe lediglich ein kleines Foto existiert, das sie mit der Lupe nachgezeichnet habe. Obwohl die 64-Jährige längst nicht mehr in ihrem erlernten Beruf tätig war, erklärte sie sich bereit, die vor 24 Jahren begonnene Bilderserie zu vervollständigen. „Ich habe zu diesem Raum keine persönliche Beziehung mehr“, räumte Ex-Bürgermeister Biwer ein. Umso mehr Erich Glück. „Schon lange bevor ich Bürgermeister wurde, war ich oft hier“, gestand er.
Denn gegen alle Bestimmungen sei es damals üblich gewesen, dass er, noch Stadtverordnetenvorsteher, auch an den Magistratssitzungen teilgenommen habe. „Das hat damals keine Partei beanstandet“, blickt er zurück. „Aber irgendwann sind wir dann doch darauf gekommen, dass das nicht geht.“ 1968 zog er dann als Bürgermeister legitimiert in das Zimmer, das er so oft erst weit nach Mitternacht verlassen hat. Als er 1979 für drei Millionen Mark das Kurheim Kaufhold erwarb und zum neuen Rathaus umgestaltete, zog er vorübergehend in eine Baracke um, die die Verwaltung auf dem Gelände der abgerissenen alten Nikolaus-Kirche aufgestellt hatte. Dort trat auch Biwer im Oktober 1979 seinen Dienst als Erster Stadtrat an. Der Umzug ins neue Rathaus erfolgte im Frühjahr 1980. Dort wärmte Glück gerade noch ein paar Wochen den Bürgermeistersessel an, im dem dann Biwer im April 1980 Platz nahm.
Das frei gewordene Bürgermeisterzimmer im Alten Rathaus wurde von 1979 an von mehreren Vereinen genutzt, bis es 1993 dem Standesamt angegliedert wurde. Im Zuge der Sanierung des historischen Gebäudes wurde Glücks Vorzimmer als offene Wartezone gestaltet für das benachbarte Standesamt und für den Seminarraum im alten Bürgermeisterzimmer. Es wird jetzt unter anderem auch als Besprechungszimmer genutzt.