Karben. Nur der frische Wind erinnert an den Winter. Viel Sonne. Ein herrlicher Tag zum Spazierengehen. Die Nidda-Wiesen Groß-Karbens eignen sich perfekt dafür. Selbst an diesem Wochentagsvormittag sind Spaziergänger unterwegs. So wie Heinz Schülke (64). Der Vorstandssprecher des Karbener Naturschutzverbandes BUND ahnt, dass die Tage des Naherholungsgebietes gezählt sind. Nächstes Jahr soll hier die Nordumgehung gebaut werden. Geht es nach den Umweltschützern, sollte mit dem Bau bis 2010 gewartet werden – wenn die Umgehungen in Bad Vilbel und Wöllstadt fertig sind.
Denn der Bund für Umwelt und Naturschutz zweifelt weiter den Sinn der 7,7 Millionen Euro teuren Straße an. Sie soll nach dem Willen des hessischen Verkehrsministeriums schon 2008 gebaut werden – und nicht erst 2009/2010, wie Minister Alois Rhiel (CDU) bislang vorsichtig ankündigte – und die Groß-Karbener Ortsdurchfahrt mit derzeit 13 000 Autos pro Tag entlasten. Die Entlastung fordern auch die Naturschützer. „Das Wohnen in der Bahnhofstraße ist ja eine Zumutung“, weiß Schülke. Schließlich war er bis vergangenes Frühjahr Ortsvorsteher in Groß-Karben und mit den Problemen der Anwohner bestens vertraut. Inzwischen ist der Rentner nicht mehr bei den Grünen politisch aktiv, sehr wohl aber für den Umweltschutz. Und für die Naturschützer ist die Nordumgehung unnötig, weil die Entlastung Karbens ohnehin bald Realität wird: „Die Fahrer aus Nidderau werden künftig die Bad Vilbeler Nordumgehung benutzen“, ist Heinz Schülke überzeugt. Diese soll Ende dieses Jahres eröffnet werden. Wer aus Niddatal kommt, wird künftig den schnelleren Weg über die Wöllstädter B 3/B 45-Ortsumgehung wählen, schätzt Schülke. Der Bau dieses 30-Millionen-Euro-Projekts soll nächstes Jahr beginnen.
„Autofahrer sind wie Wasser“, sagt der Umweltschützer. „Sie finden im Bassin immer das Loch, wo sie am besten durchfließen können.“ Damit bliebe nur noch der Ziel- und Quellverkehr Groß-Karbens und Burg-Gräfenrodes übrig. Nur diese Autos würden noch durch die enge Bahnhofstraße rollen. Wohl kaum mehr als die ohnehin für den Fall des Baus der Nordumgehung vorhergesehenen 4500 pro Tag im Jahr 2015. „Die Bürger versprechen sich von der Nordumgehung viel mehr als herauskommen wird“, sagt Schülke.
Dagegen sind die Eingriffe in die intakte Natur zwischen Groß-Karben und Okarben enorm. „Da wird die Landschaft zerschnitten“, befürchtet der Ex-Ortsvorsteher. Eine S-förmige Trasse soll zwischen den Stadtteilen auf einem Damm durch die Flussaue führen, zwei große Brücken Bahnstrecke und Nidda überspannen. Was die Natur zerschneidet, werden die Menschen in Groß-Karben nicht nur sehen, sondern auch hören können: Die Bebauung liegt zu nah, um vom Lärm verschont zu bleiben, und zu weit weg für effektiven Lärmschutz.
Schülke geht zwar davon aus, dass die gesetzlichen Lärmgrenzen unterschritten werden, die Menschen werden aber dennoch den Lärm deutlich hören. Dass nicht zuerst gegen den Verkehrslärm in der Ortsdurchfahrt vorgegangen werde, wurmt Schülke am meisten. Ein Durchfahrtverbot für Lastwagen könnte den Lärm erheblich reduzieren und wäre spätestens nach Bau der Umgehungen Bad Vilbel und Wöllstadt auch durchsetzbar, ist er überzeugt. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Bürgermeister das wenigstens mal versucht.“
Schülke bleibt die Hoffnung, dass sich bei Politikern und Planern Vernunft durchsetzt und mit dem Baubeginn wenigstens gewartet wird, bis absehbar ist, wie sich die Verkehrsströme entwickeln. Und wenn dann doch keine Ruhe einkehrt, Herr Schülke? „Dann geben wir uns geschlagen.“ (FNP/d)