Bad Vilbel. Eine „Liebeserklärung an die Bad Vilbeler“ ist die geplante Mediathek auf der Niddabrücke für Stadtrat Rüdiger Wiechers (CDU), „landschaftsästhetischer Analphabetismus“ sieht hingegen Wulfhard Bäumlein in dem Projekt. Gut zwei Stunden lang diskutierten 180 Bürger im Kurhaus über das Vorhaben. Die Menschen wollten – je nach Standpunkt – ihrem Ärger Luft machen oder ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen. Da kamen der Rückblick auf die Idee und zu den ersten Schritten der Umsetzung der Neuen Mitte von Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr (CDU) gar nicht gut an.
Lautstarken Protest erntete zudem Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann, als er ein ausführliches Referat über Sinn und Zweck einer Mediathek hielt. „Skandalös, dass Sie uns über Analphabetismus belehren wollen“, „Zeitschinderei“ und „Das kann man alles im Internet nachlesen!“, riefen etliche Zuhörer.
„99 Prozent der Bürger wollen eine neue Mediathek“, stellte der Stadtverordnete Peter Paul (Grüne) nach einer Stunde geduldigen Zuhörens fest. „Gegen den Standort zu sein, bedeutet nicht, gegen die Mediathek zu sein.“ Die Stadt habe im Fluss und im Kurpark ein wertvolles Potenzial, das durch einen „S-Bahnhof über der Nidda nicht aufgewertet“ werde.
Mit dem Ströbel-Gelände brachte Stadtverordneter Clifford Mattern (Parteivorsitzender der Grünen) einen weiteren Standort ins Gespräch. Und Hans-Joachim Lotz könnte sich ein Bildungszentrum zusammen mit der Kunstschule auf dem Reifschneider-Gelände vorstellen. Um Lärm-Konflikte zwischen Jugend- und Lesebereich zu vermeiden, schlug Margit Wiegand vor, den „jungen Teil“ abzutrennen und in Schulnähe zu verlagern. Stadtrat Wiechers erinnerte daran, dass das Ströbel-Areal an einen privaten Investor verkauft sei. Eine dezentrale Lösung beeinträchtige die Anziehungskraft der Mediathek, betonte Kunzmann. Auf dem Reifschneider-Gelände verbleibe nur ein 668 Quadratmeter großer, langgezogener, kaum bebaubarer Streifen.
Auf dem Zentralparkplatz in der Neuen Mitte reduziere eine Mediathek im Erdgeschoss die Gewerbeflächen, also die Einnahmemöglichkeiten. Im Obergeschoss sei sie „indiskutabel“, weil sie „an einem kleinen Eingang keine Möglichkeit zu einem attraktiven, öffentlichkeitswirksamen Auftritt“ biete. Das Kurhaus scheide aus, weil es zur Stadthalle mit 500 Plätzen ausgebaut werden soll. Dazu bedürfe es umfangreicher Erweiterungen, somit scheide auch ein Standort hinter dem Kurhaus aus. Ein Neubau auf dem Platz des Hallenbades setze ein fertiges Kombibad voraus – während der Bauzeit müsste die Bücherei geschlossen werden. Einzig die Brücke erfülle somit alle Anforderungen. 42 Meter lang, kommt sie etwa 1,80 Meter über dem Bodenniveau im Kurpark an und ragt über den Radweg drei bis fünf Meter in den Kurpark hinein. Das transparente, nachts beleuchtete Stahlfachwerk-Gebäude soll zehn Meter hoch werden.
Nicht nur die architektonische Gestaltung des gesamten Neue-Mitte-Areals ist aus der Sicht des Magistrats als Einheit zu betrachten, sondern auch die Finanzierung: Die Stadt zahlt für die Mediathek nur die 4,5 Millionen Euro, die sie aus den Grundstücksverkäufen an die Stiftung einnimmt, erinnerte Stöhr. Was darüber hinaus gehe, trage die Stiftung.
„Dann ist schon entschieden, dass gebaut wird“, stellte Hartmut Schröder fest. Er kritisiert, mit wie wenig Einfühlungsvermögen gegenüber Bürgern mit abweichender Meinung vorgegangen werde. Etliche Besucher wollten „unsere Nidda so behalten, wie sie ist“.
Das Argument, die Nidda sei von der Mediathek aus besser erlebbar, konterte eine Frau: „Wenn ich lese, kann ich nicht aus dem Fenster gucken.“ Seite 2, 3