Bad Vilbel. Doch Andrea kommt nicht. Migräne. Auch als sie nach der Pause zu Andreas mutiert, wartet das Publikum vergeblich auf die intime Wiederholung des Lady-Spektakels, denn auch der Ansager reißt sich nicht die Kleider vom Leib, wie man sich den Gang des 1993 uraufgeführten „Monodramas“ von Bodo Kirchhoff ausmalen mochte – oder doch, vielleicht ein wenig? Bis zum Stringtanga vielleicht? Das bleibt ein Geheimnis.
Auf Andrea oder Andreas muss das Publikum verzichten. Aber ein Striptease findet statt, wenn auch anders als man denkt. Der Ansager, der am liebsten Marie-Lou heißen und wie Clint Eastwood aussehen möchte, entblößt sein Innerstes, während er die Vorstellung moderiert, die niemals stattfindet. Seelenstrip statt nackter Haut.
Da kommt die dominante und liebebedürftige Mama und der „unsichtbare“ Papa aus dem Unbewussten ins helle Scheinwerferlicht. Da berichtet „Klein-Ödipus“ von der Ambivalenz zur Mama, mit der er sich einerseits als „Andrea“ identifiziert und der er andererseits als „Andreas“ als fiktiver Liebhaber begegnet.
Es „psychoanalyselt“ also in diesem Monolog, und das ist kein Zufall. Der 1948 geborene Autor Bodo Kirchhoff hat in Frankfurt über den französischen Analytiker-Papst Jacques Lacan (1901-1981) promoviert.
Bei dem ist vom „Spiegelstadium des Ich“ die Rede und es gibt den Satz: „Ich ist ein anderer“. Ergo: Stripteuse „Andrea“ gibt es gar nicht. Sie ist ein Spiegel der geheimen Wünsche des Ansagers ebenso wie den Stripper „Andreas“.
Mime Jan Käfer hat den Monolog gründlich gepaukt und mit Regisseurin Ellen Schulz ein plausibles Konzept dieser nur auf den ersten Blick oberflächlich-amüsanten Story gefunden. Käfers Schrei: „Ich hasse Mama“ geht unter die Haut und signalisiert, dass es weniger um eine Show im Rotlichtmilieu als um das Seelenproblem eines jungen Mannes geht. (hgm)