
Bad Vilbel. Immer wieder Stadtwald. Kaum ein Thema hat in den vergangenen Jahren die Gemüter in Bad Vilbel so erhitzt. Auf die heftige Kritik von einigen Naturschützern reagiert jetzt Forstamtsleiter Marian Krüger.
Wie geht es dem Bad Vilbeler Wald? Wenn es nach Akteuren von BUND, NABU und dem Arbeitskreis Wald geht, fällt die Antwort eindeutig aus: schlecht. Sie fordern – nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren (siehe Info-Kasten) – eine »Waldwende« und ein sofortiges »Einschlagsmoratorium« für die nächsten Jahre. In der Kritik steht der Landesbetrieb Hessen Forst, der in Bad Vilbel für die Waldbewirtschaftung zuständig ist. An dessen Spitze steht Marian Krüger. Er erwidert: »Dem Bad Vilbeler Wald geht es im Vergleich zu anderen Wäldern gut.«
Ausgeglichenes
Verhältnis schaffen
In der jüngsten Sitzung der Kommission für Umweltschutz, Land- und Forstwirtschaft hat Krüger den Waldwirtschaftsplan für die Stadt Bad Vilbel vorgestellt. Der Vorwurf der Kritiker: massive Holzentnahme, kein geschlossenes Kronendach mehr, beschädigte Böden.
»Das entspricht nicht den Tatsachen«, sagt Krüger. Der Waldwirtschaftsplan wird auf Basis des zehnjährigen Forsteinrichtungswerkes jährlich beschlossen. »Es ist für die Stadt wegen des Haushaltes wichtig, welche Kosten entstehen.«
Der Plan werde auf Basis des Forsteinrichtungswerkes erstellt. Krüger stellt klar: »Der Bad Vilbeler Wald ist ein Erholungswald und soll auch einer bleiben.«
Die Fakten: Im 168,8 Hektar großen Wald wachsen jährlich 9,2 Festmeter je Hektar zu. Ein Festmeter ist ein Kubikmeter Holz. Der Hiebsatz – also das, was jährlich entnommen wird – beträgt 4,5 Festmeter je Hektar und Jahr. Heißt: Es wird nicht einmal halb so viel geerntet wie nachwächst. Der Experte nennt das: »Der Hiebsatz beträgt nur circa 48,9 Prozent des Zuwachses. Wir schlagen nur halb so viel ein wie nachwächst.«
Der Betreuungsaufwand des Bad Vilbeler Waldes sei für seine Größe »sehr hoch«, wie Krüger sagt. Es gebe viele Besonderheiten zu beachten. Ein Großteil der Bäume vor Ort sind zwischen 120 und 160 Jahre alt. »Vor allem ältere Buchen sterben aufgrund des Alters und den sich verändernden Rahmenbedingungen durch den Klimawandel ab.« Man versuche daher, ein ausgeglichenes Verhältnis zu schaffen. »Der perfekte Wald hat junge, mittelalte und alte Bäume.«
Außerdem müsse man sich dem Klimawandel und den Herausforderungen durch die Globalisierung wie invasive Arten oder Schadorganismen anpassen. Die Buche habe es bei warmen Temperaturen schwer. Deshalb versuche man, mit anderen Arten gegenzusteuern. Krüger zählt auf: Spitzahorn, Winterlinde und Sommerlinde, Edelkastanie, Traubeneiche und Co. Die Mischung macht’s.
Die Kritik rund um das Kronendach kann der Experte nicht nachvollziehen. »Das Kronendach ist überwiegend geschlossen. Freie Stellen im Kronendach helfen jungen Bäumen, sich zu entwickeln, oder geben die Möglichkeit der Pflanzung von klimaresilienteren Arten als der Buche.«
Krüger weiter: »Gerade der Klimawandel zwingt uns dazu, die Waldentwicklung aktiv zu steuern. Durch Pflegemaßnahmen, Durchforstungen und Holzernte kann ein vielfältiger Mischwald entstehen. Das hilft dem Vilbeler Wald nicht nur im Klimawandel, sondern fördert auch die Artenvielfalt.«
In Bad Vilbel werde die nachhaltige Waldbewirtschaftung auch durch das Förderprogramm »Klimaangepasstes Waldmanagement« unterstützt. Dabei werden je Hektar unter anderem fünf Habitatbäume ausgewiesen und fünf Prozent der Fläche der natürlichen Entwicklung überlassen.
Krüger erläutert weiterhin, dass aufgrund von absterbenden Bäumen durch Pilze oder Trockenheit mehr Holz aus dem Wald geerntet werden muss, als ursprünglich geplant wurde.
Was momentan in Bad Vilbel passiere, empfindet er als »besorgniserregend«. Krüger betont: »Wir nehmen alle Bedenken und andere Meinungen ernst, aber vieles basiert nicht auf der Grundlage von Fakten.« Hessen Forst sei der größte Naturschutzdienstleister in der Wetterau. »Im Auftrag der Regierungspräsidien führen wir mit unseren Partnern jedes Jahr Naturschutzdienstleistungen im Wert von mehr als einer halben Million Euro durch und haben in unserem Forstamts-Team Mitarbeitende mit einer zusätzlich naturschutzfachlichen Ausbildung, die uns mit ihrer Expertise unterstützen. Wir schützen die Natur. Das ist in unserer DNA.«
Aktualität
schlägt Planung
Er bedauere, dass in Bad Vilbel der Naturschutz mittlerweile sogar behindert würde. »Bei Wasserbiotopen muss der Schlamm entfernt werden. Dafür müssen wir mit Fahrzeugen in den Wald. Das soll alles verhindert werden. Dann würden diese Biotope nicht weiterexistieren.«
Generell gelte bei Hessen Forst: »Aktualität schlägt Planung«. Trockenperioden, Wind- und Sturmwarnungen. »Wir müssen immer reagieren können.«
Einen der größten Kritikpunkte adressiert der Forstamtsleiter zum Abschluss. Die Finanzen. Im Waldwirtschaftsplan kalkuliert Hessen Forst mit einem Defizit von 77 765 Euro. »Der Stadt ist die multifunktionale Waldbewirtschaftung sehr wichtig.« Dem Gewinn aus der Holzentnahme (29 902 Euro) und dem Naturschutz (12 784 Euro) stehen enorme Kosten – wie beispielsweise zur Verkehrssicherung oder Wegeunterhaltung entgegen. Das Teilprodukt »Soziales« wird mit minus 63 418 Euro im Waldwirtschaftsplan angegeben. In Bad Vilbel mache sich niemand mit dem Wald die Taschen voll. »Diese Diskussion ist polemisch.«
Dass das Gefühl entstehen könne, derzeit werde viel Holz aus dem Wald entnommen, versteht Krüger. »Das liegt daran, dass wir versuchen diese Arbeiten im Winter vorzunehmen. Dann haben wir den geringsten Eingriff ins Ökosystem außerhalb der Brut- und Setzzeit. Weiterhin haben wir dann weniger Wasser im Wald und können die Waldwege schonender befahren.« Mit Blick auf die Zahlen und andere Wälder – Krüger ist für insgesamt rund 16 500 Hektar Wald verantwortlich – sagt er: »Dem Bad Vilbeler Wald geht es gut – überdurchschnittlich gut.«
Von Patrick Eickhoff