Bad Vilbel/Karben. Der kürzlich stattgefundene Bad Vilbeler »Grenzegang« bot lebendige Einblicke in die Geschichte der Dörfer Gronau und Rendel. Um den Grenzverlauf des Mühlbachwassers wurde mehr als 30 Jahre heftig zwischen den Bürgern beider Dörfer gestritten.
Erneut auf großes Interesse in der Bevölkerung stieß der Bad Vilbeler »Grenzegang«. Zu ihm hatten sich an Terminalia, dem Internationalen Tages des Grenzsteins, knapp 80 Interessenten bei Prof. h.c. Peter W. Hübner, dem Obmann für die Historischen Grenzsteine von Bad Vilbel und Karben, und der AG Historische Grenzsteine, angemeldet. »Wir bieten aufgrund der großen Nachfrage heute zwei Führungen mit je 20 Personen an«, informierte der Obmann. Weitere Interessenten stehen auf einer Warteliste.
Auf dem Programm des »Grenzegangs« stand die gemeinsame Grenze von Bad Vilbel und Karben, genauer gesagt die der beiden heutigen Stadtteile Gronau und Rendel. »Dieser Abschnitt ist seit Jahrzehnten unbeachtet geblieben. Viele der historischen Grenzsteine sind im Erdreich oder Wasser »versunken«, informierte der Obmann. Viele der teilweise unter Bodenniveau geratenen Grenzsteine konnten nach Recherchen im Staatsarchiv und sehr mühsamer Suche und Arbeit aufgefunden und wieder sichtbar gemacht werden.
Grenzverläufe sind
bis heute verbindlich
Im Laufe der zweistündigen Wanderung informierte der Obmann, der sich sehr über das Interesse der Bürger aus Bad Vilbel und Karben freute, über den geschichtlichen Hintergrund. Dazu gehörten geschichtliche Informationen ebenso wie Erkundungsmethoden von analog bis digital, aber auch über das Auffinden und die Betreuung der Steine und ihrer Inschriften wie Wappen und Weisungen. Die Gruppe erfuhr, dass das Lungenbasalt das Material für Hoheitssteine war und unter den Steinen »Zeugen« in Form einer Bleiplatte platziert wurden. Diese »Zeugen« haben die Feldgeschworenen während der Abmarkung unter dem Grenzstein vergraben, um die Steinsetzung rechtlich abzusichern.
Die durch die historischen Grenzsteine markierten Grenzverläufe sind bis heute gültig. Bei Flursteinen bei Gronau handelt es sich meist um Basaltsteine. Gekennzeichnet sind die steinernen Kleindenkmäler durch fortlaufende Nummern. An ihnen lassen sich die einstigen Hoheitsverhältnisse gut erkennen. Weitere Informationen gab es dazu, wie man früher die Landschaft vermessen hat.
Entdeckt bei
Renaturierungsarbeiten
Vom Treffpunkt am Aueweg ging es für die Teilnehmer der nachbarschaftlichen Grenzbegehung am Nidderuferweg entlang Richtung Osten zur Gänsweide. Die Grenze zwischen Gronau und Rendel ist durch zahlreiche Steine markiert, die mitten durch den Mühlbach und die Nidder verlaufen, aber auch quer durch die Wiesen auf beiden Seiten der K247 von Gronau nach Rendel.
Hier wartete auf die Gruppe bereits einer, wenn nicht gar der Höhepunkt des 2. Bad Vilbeler »Grenzegangs«. Dabei handelt es sich um »einen der ältesten bisher gefundenen Grenzsteine Bad Vilbels aus dem Jahr 1695«, sagte der Obmann. Gefunden hat er den im Erdreich »versunkenen« Grenzstein am Nidderufer im Dezember 2022 in Vorbereitungen von Renaturierungsarbeiten. Der leider beschädigte Stein soll wieder aufgerichtet und neu vermessen werden.
»Dieser Grenzstein ist eine Rarität, denn an ihm kann man beispielhaft nachvollziehen, wie Grenzsteine bei Hoheitswechseln umgearbeitet sprich ihre Inschriften mit dem Meißel ›überschrieben‹ wurden.« Auf zwei Seiten des Steins befinden sich Fragmente von Wappen und Inschriften aus den Jahren 1695 und darüber Korrekturen aus dem Jahr 1866. Die Beschriftung Richtung Bad Vilbel-Gronau zeigt unterhalb des Erdniveaus Reste des Wappens mit hessen-casselschem Löwen neben vermutlich hanauischem Sparren. Oberhalb ist das Wappen ausgemeißelt und mit »KP« für »Königreich Preußen« überschrieben.«
Doppelköpfiger Adler der Grafschaft Friedberg
Auch die Beschriftung Richtung Karben-Rendel wurde geändert. Unter dem Erdreich sind Reste von Krallen und Schwanz des doppelköpfigen Adlers der Burggrafschaft Friedberg und die Jahreszahl 1695 zu sehen, darüber die Buchstaben »GH« für Großherzogtum Hessen. Auf der Seite ist der Stein mit der Nummer »228« gekennzeichnet. Er dürfte neben dem Vilbeler »O-Stein« der derzeit älteste bekannte Grenzstein in der Stadt sein, wie der Obmann informierte. Er erklärte, dass »Gronau zur Grafschaft Hanau-Münzenberg gehörte, die 1736 durch Erbschaft nach Hessen-Kassel kam«. Das Patronat von Gronau gehörte dem Grafen von Solms zu Lich.
Weiter führte der »Grenzegang« auf die andere Straßenseite zum Mühlbach. Alle schützenswerten Objekte direkt am Mühlbach sind hinter Bäumen und Büschen versteckt. Das Team der Grenzstein-AG hatten zur Besichtigung Schneisen ins Totholz geschlagen. Dadurch konnten die Grenzsteine besonders gut gesehen werden. »Durch das Freischlagen hat die Natur für einen kurzen Moment den Blick aus einer anderen Perspektive auf die wiederentdeckten und freigelegten Grenzsteine gegeben, der in wenigen Wochen wieder zugewachsen sein wird«, sagte Hübner. Über die Grenzverlauf stritten die Bürger der beiden Dörfer mehr als 30 Jahre lang. Von Christine Fauerbach
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