Bad Vilbel. Die Eltern und Großeltern von Monika Hoffmann, Jahrgang 1947, in Bad Vilbel geboren, sind bereits verstorben. Über geschichtliche Ereignisse kann sie niemanden aus der Familie befragen. Um Informationen über den schweren Bombenangriff auf Bad Vilbel am 2. März 1944 zu bekommen, nahm sie am Samstag an einer Führung durch die Quellenstadt teil.
»Ich möchte alles wissen, was mit dieser Geschichte zusammenhängt. Ich besuchte schon mehrere Male das Rondell auf dem Friedhof am Ende der Lohstraße, das den damaligen Opfern gewidmet ist«, sagte Monika Hoffmann. Damals verloren 45 Menschen ihr Leben. Zwölf Prozent der Gebäude wurden in der Stadt zerstört. An das Ereignis, das sich am Samstag zum 80. Mal jährte, erinnerten Naturfreunde und Geschichtsverein. Mit rund 60 Interessierten gingen sie auf Spurensuche. Malik Eberhardt, Mitglied der Naturfreunde und Lehrer am Georg-Büchner-Gymnasium, suchte anhand historischer Fotos und Dokumente die Orte der damaligen Zerstörungen auf. Die Führung verlief über die Frankfurter Straße, die Schützen-, Ritter- und Bergstraße, Grünen Weg und »Hanegass« zum Rathaus und durch die Innenstadt zurück.
Eberhardt erklärte, warum die Führung in Kooperation mit den Naturfreunden stattfand. »Die Naturfreunde wurden in der Zeit des Nationalsozialismus verboten, auch in Bad Vilbel. Unser Haus auf dem Glauburg wurde noch vor der offiziellen Enteignung von der Hitlerjugend besetzt und geplündert. Deshalb ist es uns heute noch ein Anliegen, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern und an diese Zeit, damit sich so etwas nie wiederholt«, mahnte Eberhardt.
Allerdings sei Vilbel weder ein Hort des Widerstands noch eine Nazi-Hochburg gewesen. Die Wahlergebnisse der NSDAP seien in Vilbel immer schlechter gewesen als im Bundesdurchschnitt und in der Wetterau. Doch auch Vilbel habe sich dem Nationalsozialismus keineswegs vollständig verweigert. Der Pogrom von 1938 habe hier am 10. November stattgefunden. Mindestens 22 Mitbürger seien in der NS-Zeit deportiert und ermordet worden, weil sie jüdisch waren, der SPD oder Gewerkschaften angehörten.
Zu der Zeit des Bombenangriffs hatte Vilbel etwa 6000 Einwohner. 400 davon starben im Zweiten Weltkrieg. Chronist Heinrich Martini führte genau Buch über die Kriegsgeschehnisse in Vilbel. Luftangriffe gab es ab 1940 mit insgesamt 50 Toten, davon 45 Opfer am 2. März 1944. Unter den Toten war die Zwangsarbeiterin Irina Scharkowa von der Krim, die seit 1942 bei der Familie Schwarz in Vilbel arbeiten musste und in den Todesanzeigen unerwähnt blieb.
Von Sommer 1940 bis 1944 gab es in Bad Vilbel 938-mal Fliegeralarm. Von 1945 bis zum Zusammenbruch der Front im Rhein-Main-Gebiet wurde der Alarm fast täglich ausgelöst.
Eberhardt zitierte aus dem Bericht von Martini vom 2. März: Um die Mittagsstunde sei ein starkes Schneegestöber über die Wetterau gezogen. Feindliche Flieger brummten über der geschlossenen Wolkendecke. Bomben wurden in großer Zahl abgeworfen. Ein amerikanischer Teppichabwurf von großkalibrigen Sprengbomben überschüttete den Südteil bis in den Wald hinein. In diesen nervenaufreibenden Krach mischte sich das Zerbersten der zusammengestürzten Häuser.
Der Südbahnhof wurde durch Volltreffer vernichtet. Kein Wasser, Licht und Gas waren die unmittelbaren Folgen des »Terrorangriffs« bei dem auch Bergen, Fechenheim, Bischofsheim, Seckbach und Enkheim betroffen waren. Mutmaßlich sollte der Angriff dem rüstungsrelevanten Betrieb der Alfred Teves GmbH im Norden Frankfurts gelten. Durch den Schneesturm und die mangelnden Fähigkeiten zu navigieren, war Vilbel ein Fehlangriff.
Einen gezielten Angriff auf die Stadt gab es nur einmal im Sommer 1944 auf die Gleisen des Nordbahnhofs. Der Südbahnhof war der erste und größte Bahnhof in Vilbel, er wurde 1850 eröffnet und am 2. März 1944 vollständig zerstört.
Die Frankfurter Straße hieß damals Adolf-Hitler-Straße. Am Beamtenhaus erinnerte Eberhardt an die vermutlich bekanntesten Vilbeler Opfer des Nationalsozialismus den Schulleiter Dr. Albert Chambre und den Oberamtsrichter Rudolf Homburger. Von Georgia Lori
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