Karben. Das können die 60 Musikerinnen und Musiker des Sinfonischen Blasorchesters der Stadtkapelle Karben nicht jedes Jahr erleben: eine Welt-Uraufführung, zugeschnitten exakt auf ihre Besetzung. Als Teil der zwei Weihnachtskonzerte entdeckten sie mit Komponist Mathias Wehr den neuen Planeten »Destination Proxima Centauri B«.
Die Spannung war groß beim Komponisten: Wie werden sie spielen, wie wird es klingen, wie wird das Publikum das neue Werk aufnehmen? Mathias Wehr hatte im Sommer schon den Workshop mit dem Orchester geleitet, aber bei der Uraufführung ist das Lampenfieber doch deutlich größer. Es war eine gelungene, umjubelte Premiere, die Wehr in der ersten Reihe genoss. Das Dirigat hatte Orchesterleiter Claus Carsten Behrendt übernommen.
Eindringliche
Welturaufführung
Die Auftragskomposition war möglich geworden durch die Bundesförderung »Neustart Amateurmusik«, für die sich die Karbener Kapelle vor gut einem Jahr beworben hatte. Der Planet mit dem sperrigen Namen »Destination Proxima Centauri B« existiert tatsächlich und ist 4,2 Lichtjahre von der Erde entfernt. Eine Reise dorthin würde 6300 Jahre dauern, im Konzert waren es gerade einmal zehn Minuten. Der 39-jährige Franke erzählt Geschichten in seinen Kompositionen. So teilte er auch diese musikalische Reise in vier Abschnitte ein: Reise, Entdecken, Betreten, neue Welten. »Komponieren ist wie Malen. Ich brauche dazu alle Farben der Instrumente«, erzählt er im Pausengespräch.
Das farbenreiche Stück beginnt mit drei Tönen der Flöte. Schnell merkt man, wie sich die Menschen hoffnungsfroh auf den Weg machen zu dem neuen Planeten. Der erste Blick auf ihn scheint dunkel und geheimnisvoll, gemalt von den Facetten des Schlagwerks. Verschiedene Soloinstrumente markieren die ersten vorsichtigen Schritte bis das Orchester euphorisch aufbraust. In eindringlichem Rhythmus bäumen sich Fragen auf, dann kehrt Stille ein. Die Schlusssequenz weist schließlich den Weg in eine positive Zukunft.
Nach diesem besonderen Werk brachten die Musikerinnen und Musiker noch mehr Lichter zum Leuchten. »Spirit of Time« war nicht nur Einstieg, sondern wurde zum Motto. Moderator Christian Bierbaum und Fanfaren kündigten dann die stets hungrigen Hobbits aus der Sinfonie »Herr der Ringe« an. Die tanzten lustig und trollten sich dann leise davon. Für die bekannte Titelmelodie des Films »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« ergänzte der Flügel das Blasorchester. 50 Jahre sei der Film alt und werde auch in diesem Jahr auf allen Kanälen im Fernsehen zu sehen sein, berichtete Bierbaum.
Von mieser Stimmung
zu fröhlichen Klängen
Weihnachtlich ging es weiter im vertrauten Liedermix und in einem Disney-Prinzessinnen- Medley. Da dürfen im japanischen Arrangement Dornröschen, die Schöne und das Biest, Aladdin und die kleine Meerjungfrau nicht fehlen. Glöckchenklang und Bigband-Sound in weißen Hollywoodzucker getaucht, lebendig und frisch gespielt, war dieses Stück ein Kontrast zur folgenden besinnlichen Weihnachtsgeschichte nach Charles Dickens. Sie wurde in Kurzform über Musik erzählt von Miriam Förster.
Dabei skizzierten die Posaunen die miese Stimmung des Geldverleihers Scrooge. Die drei Zeitgeister, die ihn bekehren sollten, kamen mit Glockenklang, fröhlichen Orchesterweisen und düsteren Klängen daher, bis mit einem Paukenschlag bei Scrooge doch noch eine fröhliche Weihnacht einzog.
Ein swingendes Weihnachtsrätsel unter dem Titel »Vier unpassende Weihnachtslieder« und eine Mitsing-Zugabe beendeten das Konzert. Alle Facetten der Weihnacht und darüber hinaus der Zeitgeist sowie Gedanken um eine gute Zukunft waren zu erleben. Unter dem präzisen und engagierten Dirigat von Claus Carsten Behrendt spielte das Sinfonische Blasorchester in der Besetzung mit Kontrabass souverän und leidenschaftlich.
Acht neue Mitglieder meisterten ihren ersten Auftritt in dieser vielfältigen, beeindruckenden Formation. Als »Herz und Seele der Stadtkapelle« bezeichnete sie Robert Koch in seinen Dankesworten und hob noch einmal das riesige Raumschiff hervor, das Mathias Wehr ihnen hingestellt hatte. VON HANNA VON PROSCH