Bad Vilbel. Ärger in der großen Flüchtlings-Gemeinschaftsunterkunft in der Bad Vilbeler Kernstadt. Gleich mehrere Bewohner bemängeln die schlechten Zustände vor Ort. Dass sie dafür seit April dieses Jahres noch 600 Euro Gebühr zahlen müssen, bringt für sie das Fass zum Überlaufen. Die Stadt hat für die Argumentation kein Verständnis.
Keine Privatspähre, mangelnde Hygiene, hohe Gebühren. Es ist kein gutes Bild, dass drei junge Afghanen über ihre aktuelle Situation in einer großen Flüchtlingsunterkunft in der Bad Vilbeler Kernstadt zeichnen. Sie sind 25, 27 und 32 Jahre alt und alle vor einigen Jahren nach Bad Vilbel gekommen. »Ich arbeite und möchte die Unterkunft verlassen, aber ich finde keine Wohnung«, berichtet einer. Alle drei möchten lieber anonym bleiben. »Ich habe bisher 320 Euro bezahlt. Jetzt soll ich 600 Euro bezahlen. Dafür, dass ich in einem ganz kleinen Zimmer lebe und mir alles mit anderen teilen muss«, bemängelt einer. Es habe über die Erhöhung keine Information gegeben. »Ich arbeite in einer Zeitarbeitsfirma, und da bleibt nicht mehr viel übrig.«
Kinder werden im
Wäschekorb gebadet
Hinzu komme die aktuelle Situation in der Unterkunft. Zwei Betreuer vom Flüchtlingshilfeverein sind an diesem Tag ebenfalls vor Ort. »Die Küchen sind überhaupt nicht ausgelegt für so viele Leute«, sagt einer der beiden Männer. Dasselbe gelte für die Situation in den Duschen. Die Flüchtlinge sind sauer. »Wir haben keine Duschvorhänge mehr – weder die Männer noch die Frauen. Es gibt keine Privatsphäre«, berichten sie.
Manche Familien würden ihre Kinder im Wäschekorb baden, weil sie keine Lust hätten, in einer langen Schlange zu stehen. Für Familien sei es ohnehin schwierig, berichten die Ehrenamtlichen von der Flüchtlingshilfe. »Es gibt keinen richtigen Aufenthaltsraum zum Lernen. Im Hof darf nicht gespielt werden.«
Nötige Reparaturarbeiten würden immer wieder aufgeschoben. »Auf die Reparatur einer Lampe warten wir seit Wochen«, sagt einer der Flüchtlinge. Hinzu komme, dass es immer wieder Auseinandersetzungen gibt. »In der Küche wird getrunken oder nicht sauber gemacht, Flüchtlinge mit Alkohol- oder auch psychischen Problemen werden einfach hingenommen, bis es zur Eskalation kommt«, berichten die Helfer. »Die Personen sind bekannt.«
Seit Dezember 2013 leitet Susanne Förster in der Unterkunft die Flüchtlingskoordination. Gemeinsam mit Sozialamtsleiter Jörg Heinz und Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm bezieht sie Stellung zu den Vorwürfen. Der Kreis habe in Absprache mit allen Bürgermeistern festgelegt, dass die Städte und Kommunen ihre Unterkunftsgebühren für alle anerkannten Flüchtlinge ab 1. April 2023 selbst erheben müssen. Bei den arbeitenden anerkannten Flüchtlingen, bedeutet dies, dass sie von ihrem Einkommen zu bezahlen sind.
»Die Gebühren sind angepasst an die jeweilige Mietobergrenze«, sagt Förster. In Bad Vilbel sind das bei einer Person beispielsweise 600 Euro inklusive Betriebskosten und Heizung. »Das haben also nicht wir willkürlich festgelegt, sondern das wurde so beschlossen.« Anfang des Jahres wurde deshalb in allen Unterkünften abgefragt, wie die Arbeitsverhältnisse sind. In Bad Vilbel betreffe das 20 Haushalte von 400 Personen, die in städtischen Einrichtungen und Gebäuden untergebracht sind. »Der Bescheid kam im April, aber selbst die höheren Gebühren decken die Kosten nicht«, sagt Heinz. Personalkosten, Mobiliar, 24-Stunden-Security, Reparatur, Strom und Wasser. »Das kostet auch alles Geld.«
Gar nicht einverstanden sind die drei Bewohner mit dem Bild und den Vorwürfen, dass die Flüchtlinge rund um die Hygiene gezeichnet haben. »Natürlich fehlen Duschvorhänge«, sagt Susanne Förster. »Aber wir ersetzen diese regelmäßig und sie werden immer wieder entwendet.« Dasselbe Problem habe es mit Duschköpfen gegeben. »Dann hat jedes Zimmer einen eigenen Duschkopf bekommen, um den sich die Bewohner selbst kümmern müssen.«
In der Einrichtung seien derzeit rund 100 Flüchtlinge untergebracht. Ein ähnliches Bild zeichnet Förster, wenn es um die Küchen geht. »Wir haben uns auch dabei genau an die Vorgaben des Kreises gehalten«, sagt sie. »Es gibt 13 Küchen, die sind unterschiedlich groß. Für die Pflege sind allerdings die Bewohner selbst zuständig«, ergänzt Jörg Heinz. »Sollte es also zu Konflikten kommen, dann sind sie hausgemacht. Die Küchen sind auch keinen Bereichen zugeordnet, auch wenn es natürlich sinnvoll ist, dass die Bewohner die Küche nutzen, die am nächsten ist.« Für Konflikte sei extra Security vor Ort. Zweimal die Woche kommen außerdem Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Auftrag des Wetteraukreises ins Haus.
»Wir sind wirklich bemüht«, sagt Müller-Grimm. »Aber wenn dann nach 20 Minuten eine neue Waschmaschine bereits wieder defekt ist, dann müssen wir auch erst mal Ersatz finden.«
Förster bedauert der
Bewohner Vorgehen
Dass im Hof das Spielen verboten sei, weist Förster zurück. Das betreffe nur das Ballspielen wegen der Nachbarschaft. »Natürlich dürfen alle Besuch empfangen – bis 22 Uhr. Das war nur in Corona-Zeiten eingeschränkt. Aber es gibt ja auch den Kurpark und einen Spielplatz in der Nähe«, sagt Förster. Sie bedauert es, dass die Thematik so in die Öffentlichkeit getragen wurde. »Ich habe die Flüchtlingshilfe mitgegründet. Wir hatten erst vor Kurzem einen runden Tisch, an dem leider nur wenige teilgenommen haben. Wir bekommen jede Woche neue Flüchtlinge zugewiesen und wir sind sehr dankbar für jede Unterstützung und weiterhin sehr bemüht. Aber es macht mich traurig, wenn diese Wege gewählt werden.« Von Patrick Eikhoff