Stadtwald: Mehr Erholungsgebiet oder mehr Wirtschaftszweig?
Von Patrick Eickhoff
Bad Vilbel. Ist ein absterbender Baum eine Gefahr oder wichtig für den Wald? Sollen auch Bäume abseits der Wege gefällt werden? Diese und weitere Fragen haben vorige Woche Bad Vilbels Stadtverordnete bei ihrer Sitzung beschäftigt. Der Stadtwald ist und bleibt ein Dauerthema in der Bad Vilbeler Politik. Die Stadtverordneten haben zu Fällungen von 400 Bäumen – Eschen und Buchen – diskutiert. Dabei kam auch so manche Grundsatzfrage auf den Tisch.
Jens Matthias (Grüne) sagte, dass es nicht nur kein neues Forsteinrichtungswerk gebe, sondern auch keinen Waldwirtschaftsplan. Dementsprechend auch keine Beschlüsse, die Fällungen mitten im Wald rechtfertigen würden. »Wir wollen deshalb nur 20 Bäume am Wegrand zur Verkehrssicherung fällen. Das ist auch der Hauptgrund für Fällungen, der uns immer genannt wurde.«
Seine Parteikollegin Sabina Eberlein fügte an, dass es dem Bad Vilbeler Wald nicht gut gehe. »Es kann nicht sein, dass Hessen Forst 380 Bäume fällt. Wir müssen uns dagegen wehren.« Es würde sich um »klare wirtschaftliche Interessen« handeln. Die Grüne forderte »Fakten statt Beschlüsse«.
Stöhr: Einschlag ist geringer als Neuwuchs
Die Redebeiträge kamen bei der Koalition nicht gut an. Carsten Hauer (SPD) erläuterte, dass das Forsteinrichtungswerk und der Waldwirtschaftsplan die Grundlage für reguläre Fällungen darstellen würden. Darum handele es sich aber in diesem Fall nicht. »Damit schaffen Sie bewusst Verwirrung. Es geht um 400 Bäume, von denen Gefahr ausgeht – auch im Bereich innerhalb des Waldes.« Schließlich seien dort auch Pilz- oder Bärlauchsammler unterwegs, aber auch Mädchen und Jungen des Waldkindergartens.
Deshalb brachte die Koalition einen Änderungsantrag ein, dass bis zur Verabschiedung eben jenes Forsteinrichtungswerks oder des Waldwirtschaftsplans keine gesunden Bäume, sondern ausschließlich absterbende Bäume, gefällt werden sollen.
Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) stellte klar: »Unser Wald ist ein Erholungswald. Seit Jahrzehnten ist der Einschlag geringer als der Zuwachs an neuem Holz.« Der Wald sei hoch frequentiert und das längst nicht nur auf den Wegen. »Von einem absterbenden Baum geht eine Gefahr aus. Sollte da wirklich was passieren, dann wird der Staatsanwalt ermitteln.«
Bernd Hielscher (SPD) fügte hinzu, dass mit dem Wald keine Gewinne erzielt werden. Der Verdacht, dass es sich um einen Wirtschaftswald handele, müsse aufhören und gehöre »ins Nirvana«.
Die Grünen widersprachen. Jens Matthias sagte: »Nicht von jedem absterbenden Baum geht eine Gefahr aus.« Das könne ein langer Prozess sein. »Ein Baum, der mitten im Wald steht, ist keine Gefahr.« Peter Paul (Grüne) fügte an, dass ein absterbender Baum auch von Bedeutung sein könne. »Die Zerfallphase ist wichtig für Käferarten, Spechte und Fledermäuse.« Da müsse man keine Gefahr herbeireden, wo keine sei.
Die Grünen hatten ihre Redezeit zu diesem Antrag zwar aufgebraucht und nur noch neun Sekunden Zeit – dennoch trat Sabina Eberlein nochmal ans Mikrofon und sagte: »Absterbende Bäume zu fällen, ist unsinnig.«
Tobias Utter (CDU) zeigte sich verwundert über die Diskussion. Beim Stadtwald habe es immer Konsens in der Stadtverordnetenversammlung gegeben. »Ich habe mich als Laie von Hessen Forst immer gut beraten gefühlt.« Hessen Forst unterstehe seit zwei Legislaturperioden einem grünen Umweltministerium. Umso verwunderlicher sei es, dass die Grünen in Bad Vilbel diese Arbeit kritisieren.
Der Antrag zur Fällung von absterbenden Bäumen wurde von SPD, CDU und AfD angenommen – bei Enthaltung von den Freien Wählern. Dagegen stimmten Grüne und FDP.
Der Antrag der Grünen wurde nicht abgestimmt. Bürgermeister Thomas Stöhr verwies auf die Geschäftsordnung. »Wenn beide Anträge angenommen werden, weiß die Verwaltung nicht, wie sie damit umgehen soll.« Schließlich würden beide das gleiche Thema behandeln.
Vorübergehende Beeinträchtigungen
Der Holzeinschlag soll, wie die Stadt nach der Sitzung gestern mitteilte, in den nächsten Tagen beginnen, das Forstamt bittet die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis dafür, »dass es vorübergehend zu Beeinträchtigungen für Waldbesucher kommen kann«. Jeden Abend würden die Wege wieder abgezogen, so dass diese für die Besucher zu belaufen sind. »Nach Abschluss der Forstarbeiten wird das gesamte Wegesystem wieder in einen Zustand gebracht, um sie wie üblich zu nutzen.«