Karben. Die Empörung war groß, als im September in einigen Straßen Groß- und Klein-Karbens bei einem normalen Regen die Keller vollliefen. Die Ursache: Alle vier Pumpen der städtischen Kläranlage waren ausgefallen. Viele meinen nun, die Stadt muss die Schäden bezahlen. Deren Versicherung ist in etlichen Fällen allerdings anderer Meinung. Nun gibt es neuen Ärger.
Ende November haben Manfred und Claudia Krug in ihrem Briefkasten ein Schreiben der Kommunalversicherung gefunden. Das ist die Versicherung der Stadt. Als sie den Brief gelesen haben, traf sie der Schlag. Der entscheidende Satz: »Unser Mitglied haftet daher nicht. Wir können den Schaden nicht regulieren«, steht dort schwarz auf weiß. »Wir haben durch das Hochwasser einen erheblichen Schaden erlitten, den uns niemand ersetzt. Haben die Stadtwerke denn keine Fürsorgepflicht? Außerdem hat der Bürgermeister in der Versammlung versprochen, dass die Stadt ihre Bürger nicht im Stich lässt«, sagt Claudia Krug. Sie ist empört.
So wie ihr gehe es etlichen anderen, einigen aus dem Stadtteil Klein-Karben, aber auch aus dem Hessenring in Groß-Karben. »Eine Familie hat jetzt einen Anwalt eingeschaltet«, sagt Krug.
Wenig Regen, aber
Überschwemmungen
Um die Empörung zu verstehen, ist eine Rückblende auf den 15. September 2021 notwendig. Diese Zeitung berichtete seinerzeit folgendes: 25 Liter Regenwasser pro Quadratmeter gingen an jenem Tag zwischen 18 und 22 Uhr über Karben nieder. Meteorologisch handelte es sich um keine außergewöhnliche Regenmenge.
Beim sogenannten »Jahrhundertregen« Anfang Juli verzeichnete man dagegen 50 Liter innerhalb von 90 Minuten. Dennoch reichte dieser Niederschlag am 15. September aus, um viele Keller unter Wasser zu setzen. Teils große Schäden entstanden in der Uhlandstraße, Erich-Kästner-Straße, Goethestraße, Wilhelm-Busch-Straße, Am Breul, Auf der Warte, Hessenring und Am Park.
Die Versammlung, die die Krugs ansprechen, fand am 29. September im Bürgerzentrum statt. Vorne auf dem Podium mussten sich Bürgermeister Guido Rahn (CDU) und der technische Leiter der Stadtwerke, Michael Quentin, einiges anhören. Es hatte sich erheblicher Unmut breit gemacht. Die Verantwortlichen gaben zu, dass in der Kläranlage an jenem Abend alle vier Pumpen gleichzeitig ausgefallen waren.
Rahn nannte das Szenario »eine Verkettung unglücklicher Umstände«. Natürlich müsse die Kläranlage eine solche Regenmenge bewältigen können. Quentin erklärte: »Eine externe Firma ist derzeit mit der Umstellung des Klärwerks auf den neuesten digitalen Stand beschäftigt. Während dieser Arbeiten sind am 15. September die Pumpen ausgefallen und zeitgleich mehrere Alarmmeldungen ausgelöst worden, die ein Kollege von der Stadt nacheinander abgearbeitet hat. Er hat aber nicht den direkten Weg in die Kläranlage genommen.«
Stadt hat 40 Termine zur Beratung gemacht
Der Bürgermeister hatte versprochen, die Stadt wolle sich »nicht wegducken«. Die Betroffenen sollten ihre Schäden auflisten und dann würden diese der städtischen Versicherung gemeldet.
Die schickte zunächst einmal einen Gutachter. Der stellte etwa an der Erich-Kästner-Straße fest, dass ein Rückstauventil vorhanden sei, »und es hat auch funktioniert«. Damit ist der entscheidende Begriff gefallen. Jeder Hauseigentümer ist beim Hausbau dazu verpflichtet, ein Rückschlagventil einzubauen. »Das verhindert, dass das Wasser von unten ins Haus gedrückt wird«, sagt der Bürgermeister im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Versicherung der Stadt hat laut Rahn in insgesamt zwölf Fällen eine Erstattung des Schadens abgelehnt, obwohl die Hausbesitzer ein solches Rückschlagventil haben.
Weil man dies bei der Stadt auch nicht versteht, hat man diese zwölf Fälle gesammelt und nochmals die Versicherung angeschrieben. »Wir gehen jedem einzelnen Fall nach«, sagt der Bürgermeister. Er weist allerdings auch auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen hin. In den Bauanträgen sei ein solches Rückschlagventil ebenso vorgeschrieben wie in der städtischen Entwässserungssatzung.
Rahn sagt, die Stadt könne nicht alles bezahlen. Allerdings sei es auch so, dass in 18 Fällen die Versicherung die Schäden erstattet habe. Laut der Liste, die in der Verwaltung erstellt wurde, belaufen sich die Schäden zwischen 135 Euro und 15 000 Euro.
Positiv sei auch, dass die Stadt etwa 40 Beratungstermine vereinbart habe. Dort schauten sich Mitarbeiter der Stadtwerke und ein freier Ingenieur die Situation bei den Betroffenen genau an. »Die Beratung ist für die Bürger kostenfrei.«
Inzwischen hat die Verwaltung laut Bürgermeister alle zwölf Betroffenen, die ein Rückschlagventil haben, denen aber Schadensersatz verweigert wurde, angeschrieben. Es werde nochmals alles überprüft. Kann also gut sein, dass auch die Krugs in einigen Wochen ein weiteres Schreiben in dieser Angelegenheit in ihrem Briefkasten haben. Diesmal mit möglicherweise erfreulicherem Inhalt. Von Holger Pegelow