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Conti feiert in Hannover, in Karben wird demonstriert

Continental feiert 150-jähriges Firmenjubiläum, aber in Karben herrscht keine Feierlaune, denn das Werk soll 2025 geschlossen werden. Deswegen gab es am Freitag vor dem Werk eine Art »Gegendemonstration«. Foto: Schenk
Continental feiert 150-jähriges Firmenjubiläum, aber in Karben herrscht keine Feierlaune, denn das Werk soll 2025 geschlossen werden. Deswegen gab es am Freitag vor dem Werk eine Art »Gegendemonstration«. Foto: Schenk

Karben. Zum 150-jährigen Jubiläum hat sich Continental etwas einfallen lassen. Während die Geschäftsleitung in Hannover feiert, wird eine interaktive Jubiläumsshow im Stile einer Fernsehsendung ausgestrahlt. Zum Programm gehören Live-Talks und Live-Schaltungen an ausgewählte Firmenstandorte. Karben gehört nicht dazu.
In dem Conti-Werk an der Dieselstraße, das 2025 endgültig geschlossen wird, ist anlässlich des 150-jährigen Firmenjubiläums niemand in Feierlaune. Ganz im Gegenteil: Die Stimmung unter den Beschäftigten ist auf dem Tiefpunkt angekommen. Jahrelang arbeiteten die Menschen nach einem Sondertarifvertrag, leisteten Mehrarbeit und wurden dafür 2019 sogar als eine Art »Vorzeigewerk« ausgezeichnet. Damit ist jetzt Schluss. »Wir machen nur noch Dienst nach Vorschrift«, sagen die Männer von der Frühschicht, die sich am Freitagnachmittag zum Frustablassen vor dem Werkstor versammelt haben. »Wir machen nur noch das, was wir müssen. Sonderdienste gibt es nicht mehr.«
Im Bereich der Mahnwache kann man beim Dosenwerfen IG-Metall-Karten und Flaschenöffner gewinnen. Zu treffen sind die Konterfeis der Geschäftsführung. Das Scheppern der Dosen auf dem Boden macht ordentlich Krach. Je mehr Dosen fallen, desto besser. Außerdem können die Beschäftigten an einer Flex-Druckstation T-Shirts oder Beutel bedrucken lassen. »Conti Karben – Ich gehe in Altersarmut« oder »150 Jahre – Schämt euch« sind gern genommene Aufdrucke. An einem Stand werden Würstchen. »Eigentlich hätten wir nach Hannover fahren und die Party crashen müssen«, meint ein Mitarbeiter. »Das wäre die richtige Antwort gewesen. Für uns ist das wie ein Schlag ins Gesicht.«
Man spürt bei den meisten Leuten eine Stimmung zwischen Resignation und Aggression. »In meiner Abteilung machen alle Mitarbeiter ihren Job weiter anständig. Das könnte auch ganz anders aussehen«, weiß Teamleiter Jochen Meyer.
Die Beteiligung an der Protestaktion hat im Verhältnis zu früheren Veranstaltungen nachgelassen. Das Ziel von Betriebsrat und IG Metall, die Erhaltung des Werkes, ist nicht gelungen. Viele scheinen sich jetzt einfach mit der Situation abgefunden zu haben. Älteren Beschäftigten ab 57 Jahren wird ein Altersteilzeitvertrag angeboten. IG-Metall-Mitglieder sind bis 2022 automatisch abgesichert. Dennoch steht für jede und jeden am Ende der Verlust des Arbeitsplatzes.
Transfergesellschaft
Abfedern möchte man das Ganze durch die Hinzuziehung einer Transfergesellschaft. Aktuell laufen die Bewerbungen bei Continental. Wer den Zuschlag erhalte, sei noch nicht entschieden, sagt Betriebsrat Frank Grommeck. »Etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen dadurch die Möglichkeit, eine 12-monatige Qualifikation zu durchlaufen. Ziel ist es, die Leute in ein neues Arbeitsverhältnis zu bringen.«
Von Jürgen Schenk