Schöneck. Zuerst erscheint ein grauer Punkt am Himmel. Dann geht alles rasend schnell. Das Auge erkennt den Vogel, der legt die Flügel an und schießt wie ein Pfeil mit einer Fallgeschwindigkeit von bis zu 200 Kilometern pro Stunde seinem Schlag entgegen. Das ist der Moment, in dem der Adrenalinspiegel des Brieftaubenzüchters seinen höchsten Punkt erreicht.
136 der klugen Tiere mit dem „Heimfindevermögen“ präsentierte der Schönecker Verein „Eile zur Heimat“ im Kilianstädter Bürgertreff. Eine Bewertung der Vögel und Ehrungen der Züchter rundeten die Veranstaltung ab. Einer von acht aktiven Brieftaubenzüchtern in dem 34 Mitglieder zählenden Verein ist Wilhelm Jahn aus Kilianstädten. Der zweite Vorsitzende nennt einhundert Tauben sein Eigen. Sie leben auf seinem Grundstück im Taubenschlag in geräumigen Käfigeinheiten als Paare zusammen.
Das Zurückfinden liegt den Brieftauben in den Genen. Im Alter von sieben Tagen erhalten sie Kennungs-Ringe, nach 22 Tagen werden sie nicht mehr gefüttert und verlassen das Nest. „Zuerst sitzen sie auf dem Dach und schauen sich um, dann ziehen sie erst kleine, dann größere Schleifen“, sagt Züchter Jahn.
Anfang Mai beginnt die dreimonatige Reise-Saison, in der die Tauben je nach Wetter bis zu vierzehn Mal aufgelassen werden. Der Kilianstädter Verein gehört zur regionalen Reisevereinigung Langendiebach, die spezielle Transporter zur Verfügung stellt. In den Kabinenexpressen können bis zu 3500 Tauben transportiert werden, ein Hänger fasst noch einmal etwa 3000 Tauben. Sie starten schon im Morgengrauen, fahren zwischen 160 und 650 Kilometer weit, etwa nach Passau, Straubing oder St. Pölten in Österreich. An diesen Auflassorten öffnen sich die Käfige und der Heimflug kann beginnen.
Ihre Flugkraft ist legendär. „Bei Rückenwind werden die Brieftauben bis zu 100 Kilometer pro Stunde schnell“, weiß Taubenzüchter Jahn. (rec)