Von Patrick Eickhoff
Grüne-Fraktion lehnt im Stadtparlament die Erhöhung der Stadtratsstellen ab
Bad Vilbel. Eine emotionale Eröffnung von Ute Petersen (Grüne), ein neuer Stadtverordnetenvorsteher und gleich eine hitzige Diskussion. In ihrer konstituierenden Sitzung haben Bad Vilbels Stadtverordnete am Dienstagabend der vorigen Woche im Dortelweiler Kultur- und Sportforum u.a. auch eine Vergrößerung des Magistrats beschlossen.
Vielfalt als Bereicherung ansehen
Zum ersten Mal in der Geschichte des Bad Vilbeler Stadtparlaments hat eine Frau die konstituierende Sitzung eröffnet. Die 79-jährige Ute Petersen (Grüne) ergriff nach einer kurzen Begrüßung von Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) das Wort. Sie blickte zurück, erzählte von ihrem Großvater Martin Reck, der für die SPD in den 1920er-Jahren im hessischen Landtag saß. Die Nazis deportierten den Sozialdemokraten später ins Konzentrationslager Dachau. »Immer wieder werden Menschen von rassistischen Gruppen bedroht. Wir sind alle verantwortlich, zu zeigen, dass Vielfalt eine Bereicherung ist«, richtete sie emotionale Worte an die 45 Abgeordneten und rund 20 interessierten Zuschauer. »Demokratie ist lebendig. Mit großer Freude sehe ich viele junge Frauen und Männer in diesem Parlament. Lasst uns gemeinsam große Kraft entwickeln für unsere Heimatstadt.«
Anschließend leitete Petersen noch die Wahl des neuen Stadtverordnetenvorstehers. Mit 44-Ja-Stimmen, bei einer Enthaltung, wurde Oliver Junker (CDU) gewählt. Er wünschte sich, dass man »gut miteinander arbeiten« werde. »Man soll sich danach noch in die Augen sehen können. Es geht darum, die Stadt voranzubringen.« Deswegen habe er nur eine Bitte. »Die Politikverdrossenheit wird immer größer. Lasst uns die Leute motivieren und mitnehmen.«
Die Worte waren keine zehn Minuten alt, und dann ging es zur Sache. Wie die neue schwarz-rote Koalition bereits in der vergangenen Woche mitteilte, soll der Magistrat vergrößert werden. Künftig soll es sieben ehrenamtliche und einen hauptamtlichen Stadtrat geben. Dafür muss jedoch die Hauptsatzung geändert und diese im Anschluss bekanntgemacht werden. Erst dann – in der nächsten Sitzung des Parlaments – werden die Vertreter gewählt.
Grüne kritisieren Rolle der »kleinen FDP«
Jens Matthias, Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen, betonte, dass seiner Partei dieser Änderung nicht zustimmen werde, da sie auch den Koalitionsvertrag ablehnen würden. In seiner Rede ging Matthias auf viele Punkte des Koalitionsvertrages ein, sprach über den Klimawandel, den Vilbus, den Stadtwald und die Jugendarbeit der Stadt. Gleich mehrfach wurde er vom neuen Stadtverordnetenvorsteher Oliver Junker unterbrochen. »Herr Matthias kommen Sie bitte zum Punkt. Das hat nichts mit der Hauptsatzung zu tun«, sagte er.
Doch der Grüne zog die Rede durch. »Im Koalitionsvertrag wird der kleinen FDP ganz ohne Koalitionsvertrag ein Magistratspöstchen zugeschustert. Drei Sitze hat die FDP im Stadtparlament. Was wurden in der Vergangenheit für Verrenkungen gemacht, damit die Grünen weder bei acht Prozent, noch bei 16 Prozent einen Magistratsplatz bekommen? Und jetzt soll vermutlich Jörg Uwe-Hahn einen Platz im Magistrat bekommen. Warum nur?«, fragte Matthias. Die Anwort liege im Vertrag. »Es soll nämlich alles beim Alten bleiben.« Der Magistrat solle vergrößert werden, damit die Koalition mit der FDP auf Basis des Koalitionsvertrages weitermachen könne wie bisher.
Raimo Biere (AfD) sagte, dass es bereits vor fünf Jahren einen gemeinsamen Antrag von Grünen, SPD und Freien Wählern gegeben habe, den Magistrat zu vergrößern. »Warum das fünf Jahre später falsch sein soll, verstehe ich nicht.«
CDU: Aufgaben sind weiter gewachsen
Tobias Utter (CDU) erläuterte, man komme einer alten Forderung nach. »Die Aufgaben des Magistrats sind weiter gewachsen.« Der größten Kommune in der Wetterau stehe eine Vergrößerung des Magistrats auch zu. »Ich bin verwundert, dass dieser Punkt zu einer Generalabrechnung mit der CDU gemacht wird. Man sollte den Wahlkampf beenden und zur Sachpolitik zurückkehren.«
SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Kühl wurde deutlich: »Wer sich fragt, warum wir uns mit den Grünen so schwer tun. Nach dieser Rede von Herrn Matthias sollte es jeder kapiert haben.« Die neue Größe sei angemessen für eine Stadt mit 35 000 Einwohnern.
Der Antrag wurde bei Zustimmung von CDU, SPD, FDP, AfD, FW und Gegenstimmen der Grünen angenommen. Gewählt wird der Magistrat in der nächsten Sitzung am 1. Juni.
Zutritt nur mit negativem Corona-Test
Keine Priorisierung für den Rathauschef: Als Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) das Foyer des Dortelweiler Sport- und Kulturforums betrat, musste er sich genau so zum Corona-Schnelltest anstellen wie alle anderen auch. »Ohne mich geht’s ohnehin nicht los«, sagt er und lachte. Denn für die konstituierende Sitzung der Stadtverordeten galt am Dienstag: Zutritt zum Sitzungssaal nur mit negativem Corona-Test. Und so reihten sich zwischen Irene und Tobias Utter (CDU), Udo Landgrebe (SPD) sowie zahlreiche weitere Abgeordnete auch einige Besucher ein – mit Abstand und Maske. Mit etwas Verspätung konnte die Sitzung dann starten. Rund 75 Personen fanden sich letztlich im großen Saal ein. Trotz negativer Testergebnisse galt Maskenpflicht, für Redebeiträge hatten die Abgeordneten – wie auch schon bei vergangenen Sitzungen – ihre eigene Plastiktüte, um das Mikrofon abzudecken. (wpa)