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Mit dem eigenen Leben konfrontiert

Ältere Menschen möchten oft nicht über ihre schlimmen Erfahrungen aus der Kindheit sprechen. Hans Reinert, Lieselotte Jakob und Ernst Kaben sind dem Aufruf von Katrin Skok gefolgt und haben ein Buch über ihrer persönlichen Erinnerungen verfasst. Foto: Lukas Schäfer
Ältere Menschen möchten oft nicht über ihre schlimmen Erfahrungen aus der Kindheit sprechen. Hans Reinert, Lieselotte Jakob und Ernst Kaben sind dem Aufruf von Katrin Skok gefolgt und haben ein Buch über ihrer persönlichen Erinnerungen verfasst. Foto: Lukas Schäfer

Senioren des Aktiv-Clubs schreiben ihre Memoiren

Bad Vilbel. Sich rückblickend mit dem eigenen Leben zu beschäftigen ist nicht einfach. Besonders für die Kriegsgeneration. Die Mitglieder des Aktivclubs in der Seniorenresidenz Quellenhof haben den mutigen Schritt gewagt und ihre Memoiren in einem Buch niedergeschrieben.

»Ich hätte nie gedacht, dass sich jemand für mein Leben interessieren könnte«, sagt Ernst Kaben über das kleine Büchlein, in dem er seine Lebenserinnerungen festgehalten hat. Viel Arbeit hat er in sein Werk investiert, aber es hat sich gelohnt.
Auch Lieselotte Jakob ist froh, ihre Memoiren »Das Leben ist kein Schaukelstuhl« verfasst zu haben. »Ich habe über ein Jahr an dem Buch gearbeitet und alles aufgeschrieben, was ich erlebt habe«, sagt sie. »Eigentlich hätte ich über meine 90 Jahre noch viel mehr schreiben können.« 250 Exemplare ihres Werkes wurden in Heftform abgedruckt.
Die Bücher der Mitglieder des Aktivclubs sind Teil eines Projekts. »Wir haben für die dunkle Jahreszeit nach einem Thema gesucht, mit dem wir uns intensiv beschäftigen können«, sagt Leiterin Katrin Skok. »Das Vorbild war dabei eigentlich Frau Jakob, weil sie schon ihr Buch geschrieben hatte. Die Idee, sich mit seinem eigenen Leben auseinanderzusetzen, kam an.«

Die Schreibmotivation war bei den Mitgliedern ganz verschieden. »Wenn ich im vertrauten Kreis aus meinem Leben erzähle, höre ich oft den Satz, schreiben sie das doch mal auf. Sie können so spannend erzählen. Das habe ich dann auch gemacht.« Hans Reinert hingegen möchte seinen Enkeln und Urenkeln etwas von sich hinterlassen. »Ich habe einfach begonnen zu schreiben. Wenn man einmal im Fluss ist, fallen einem viele Sachen wieder ein, die man schon verdrängt hatte.«

Die Autoren teilen sehr private Dinge in ihren Büchern mit der Öffentlichkeit. Dabei erinnern sie sich an ihre Hochzeiten, Kinder und Enkelkinder. »Schöne Erinnerungen kommen spontan und lassen sich leichter schreiben«, erklärt Ernst Kaben. Auch Lieselotte Jakob hatte beim Schreiben so ihre Tricks: »Ich hatte immer einen Zettel neben dem Bett. Wenn mir in der Nacht etwas eingefallen ist, musste ich es gleich aufschreiben.«

 

Dunkle Erinnerungen      Doch auch dunkle Erinnerungen über eine Kindheit im zweiten Weltkrieg in Frankfurt prägt die Autoren. »Meine Eltern hatten damals ein Zigarrengeschäft und auch viele jüdische Kunden. Die Schaufenster wurden oft beschmiert mit der Parole ›Kauft nichts bei Judenfreunden‹«, erinnert sich Kaben. »Wir haben bei einem Luftangriff vergeblich versucht, in einen überfüllten Bunker zu kommen. Genau dieser Bunker wurde bei dem Angriff zerstört. Mein Freund hat den Angriff im Schutzbunker nicht überlebt.«
Auch die Zeit in der Hitlerjugend sei für Jungs in der damaligen Zeit normal gewesen. »Die Eltern waren dagegen, aber es ging uns um die Gemeinschaft und um den Zusammenhalt in der Gruppe.«

Eine Mentalitätsfrage
Älteren Menschen, die eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte selbst erlebt haben, können oft nicht über diese Erlebnisse sprechen. Doch der Aktivclub präsentiert sich erfrischend offen und stellt sich den schönen und den schweren Momenten.
»Es ist letztendlich eine Mentalistätsfrage, ob man über diese Erfahrungen schreibt oder nicht. Das ist nicht jedermanns Sache. Wenn man sich für das Schreiben entscheidet, muss man aber auch sehen, dass man bei der Wahrheit bleibt«, sagt Ernst Kaben. »Auch wenn man dabei nicht immer gut aussieht.« Doch nicht alle Mitglieder sind bereit, ihre Erinnerungen zu teilen. »Es handelt sich um höchst private Einblicke, die manche nicht erzählen wollen«, sagt Leiterin Katrin Skok.

Hans Reinert war ursprünglich auf der Suche nach Bildern vom zerstörten Frankfurt. »Als ich fündig wurde, habe ich gedacht, ich könnte ja auch mal meine Erinnerungen aufschreiben.« Also machte er sich an die Arbeit.
»Beim Schreiben sind mir teilweise die Tränen gekommen. Es ist nicht einfach, mit alten Erinnerungen umzugehen. Besonders heutzutage ist es für junge Menschen unvorstellbar, was es eigentlich heißt, kein Essen zu haben.« Beschäftigt hat er sich mit seinem Leben bis zurück ins Alter von 60 Jahren. »Die Jahre danach waren meine besseren Zeiten.«
Auch für Lieselotte Jakob sind die Erinnerungen nicht so einfach zu verarbeiten: »Ich selbst kann mein Buch heute nicht mehr lesen.« Dennoch motiviert sie auch andere Menschen, ihre persönlichen Erinnerungen aufzuschreiben.
 Von Lukas Schäfer