Wetterau/Main Kinzig/ Bad Vilbel. Es kann nicht überall Eschborn sein, dennoch haben die Quellenstädter keinen Grund zur Klage. Im Gegenteil: „Glückliche Bad Vilbeler“, dürfte man in der Nachbarstadt Karben ausrufen. Gerade einmal 132 Euro zahlt in Bad Vilbel ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt im Jahr für die Müllabfuhr. Für die gleiche Leistung sind in Frankfurt 226,80 Euro fällig, in Nidderau satte 365,60 Euro und in Karben immerhin noch 294 Euro, das ist mehr als doppelt soviel wie in Bad Vilbel.
Dagegen können sich die Niederdorfeldener mit 228 Euro Jahrestarif fast schon glücklich schätzen. Denkt man aber in Schöneck an Abfallgebühren bei Nacht, wird man schier um seinen Schlaf gebracht, denn geschlagene 408 Euro sind da pro Jahr hinzublättern. Das ist mehr als dreimal so viel wie in Bad Vilbel.
Die Quellenstadt ist zwar in dieser Domäne nicht Hessenmeister, was die Abfallpreise anbelangt, hat jedoch die günstigsten Tarife im gesamten Wetteraukreis anzubieten und landesweit liegt man immer noch auf respektablem Rang 34.
Einige der umliegenden Wetterauer Ortschaften agieren abfallmäßig nahezu auf gleicher Ebene: In Rosbach zahlt die Vier-Kopf-Familie 296 Euro für ihren Abfall pro Jahr, in Büdingen 241 Euro, in Florstadt 271 Euro und in Butzbach 292 Euro. Negativ aus der Reihe tanzt hier nur Wöllstadt mit 368 Euro, während Friedberg mit 165 Euro und Bad Nauheim mit 168 Euro schon positiv auffallen.
Bei den Müllgebühren, das zeigt die aktuelle Erhebung, gibt es hierzulande von Gemeinde zu Gemeinde riesige Unterschiede. Das ist das Ergebnis einer Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen, erstellt im Auftrag der hessischen Industrie- und Handelskammern.
Wie im Privatbereich klaffen die Abfallpreise auch im Industriesektor weit auseinander. Bei einem Industriebetrieb mit 100 Mitarbeitern reicht die Spanne sogar von 244,80 Euro Jahresgebühr der Gemeinde Hainburg (Kreis Offenbach) bis 3705,60 in Frankenau (im Kreis Waldeck-Frankenberg).
Mit 516 Euro ist eine Firma in Bad Vilbel mit dabei, während sie – befände sich ihr Sitz in Karben – gleich 1134 Euro hinblättern müsste. Das aber wäre geradezu noch günstig, denn übler dran wäre die Firma Mustermann, wenn sie in Niederdorfelden ansässig wäre. Dort käme sie der Abfall mit 1314 Euro teuer zu stehen, schlimmer wäre es nur noch in Nidderau mit 1364 Euro.
Solchen Zahlen gegenüber wissen die Schönecker, was sie an ihren Firmen haben und bieten ihnen – anders als im Privatbereich – fast schon günstige Abfallentsorgung für 1257 Euro pro anno an. Das ist zwar weit mehr als doppelt so viel wie in Bad Vilbel, dennoch ein vergleichsweise großzügiges Angebot an die Firmen vor Ort, die beispielsweise bei Schlusslicht Frankenau 3705 Euro rausrücken müssen.
Industriefreundlich zeigt sich in der Wetterau auch die Kreisstadt Friedberg mit 529 Euro und befindet sich damit in der Rangliste nur sieben Plätze hinter der Quellenstadt, aber deutlich vor Bad Nauheim mit 696 Euro pro Mustermannfirma. Mehr Kohle müsste der gleiche Betrieb mit 1060 Euro in Rosbach hinschaufeln, was in Florstadt mit 883 Euro schon billiger wäre, während eine Wöllstädter Firma eine kräftige Schippe noch drauflegen müsste und mit 1210 Euro zur Kasse gebeten würde.
Die teils gewaltigen Differenzen seien weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick erklärbar, sagt Burghard Loewe, bei der IHK-Arbeitsgemeinschaft zuständig für Umwelt- und Energiefragen. Man tappe da weitgehend im Dunkeln, meint auch der Gießener Professor Stefan Gäth. Weder spiele die insgesamt in einem Ort anfallende Müllmenge noch die Frage eine Rolle, ob die Müllabfuhr von der Kommune oder in deren Auftrag von Privatunternehmen erledigt werde. Auch die 157 studierten Satzungen brachten keinen logischen Aufschluss über das genaue Zustandekommen der mitunter unerklärlichen Preisspirale. Auch nicht nachvollziehbar sei, „wie die Politiker zu den Gebührenfestsetzungen kommen.“
Gäth jedenfalls hegt da einen verdacht, denn es sei zu vermuten, so der Datenexperte, dass aus den Müllgebühren teilweise andere Leistungen der Gemeinden subventioniert würden, und auch umgekehrt. Beides aber widerspräche der Gebührenordnung.
Mit ihrer Erhebung hoffen die Autoren, in Kreisen und Gemeinden eine Debatte über Ursachen und Angemessenheit der Gebühren anzustoßen und Transparenz herzustellen. Zündstoff genug steckt in diesen Zahlen allemal.