Die Einzelhändler in der Bad Vilbeler Kernstadt sehen sich gut gewappnet, um trotz des Online-Handels und der Konkurrenz durch das vor der Erweiterung stehende Hessen-Center in Bergen-Enkheim zu bestehen. Denn eins bieten diese Anbieter laut der Gewerbetreibenden nicht: das passende Ambiente. Derzeitige Leerstände in Bad Vilbel sehen die Händler als normale Fluktuation an.
Bad Vilbel. Wer durch die Frankfurter Straße in der Bad Vilbeler Innenstadt läuft, kann schon Bedenken bekommen, was die Vielfalt der Läden angeht. Die Filiale der Sparkasse Oberhessen ist zu. Textil-Discount „Kik“ ist aus seinen Räumlichkeiten mitten in der Einkaufsstraße ausgezogen. Das Traditionsgeschäft Uhren Eickhoff ist insolvent, auch Leder und Mode Gleichmann hat nach Jahrzehnten seine Türen zugemacht. Und diese Aufzählung ist nicht komplett.
Hessen-Center baut
Da wiegt es umso schwerer, dass nun auch in der Nachbarschaft Bad Vilbels eine Erweiterung geplant ist. Zunächst baut das Hessen-Center nur mehr Parkflächen und plant eine Schönheitsoperation. Doch langfristig soll die Verkaufsfläche von 39 500 auf 53 500 Quadratmeter erweitert werden. Das aber dürfte zum politischen Kraftakt werden.
Denn nicht nur im Frankfurter Stadtparlament ist diese Angelegenheit umstritten, auch Nachbarkommunen haben ein Wörtchen mitzureden. So auch Bad Vilbel. Denn im Planungsverband Rhein-Main müssen derartige Vorhaben abgestimmt werden. „Die reine Modernisierung ist kein Problem“, sagt Bad Vilbels Stadtsprecher Yannick Schwander. Denn optisch ist der Bau aus den 1970er-Jahren, damals eines der ersten Einkaufszentren Deutschlands, wahrlich kein Hingucker. Und schließlich folge das Center hier nur der Bad Vilbeler Entwicklung, die Stadt habe seit dem Bau der Neuen Mitte eine enorme Aufwertung erfahren. Sollte aber die Erweiterung zur Entscheidung anstehen, will sich Bad Vilbel dann äußern.
Als Retourkutsche will Schwander diese Position Bad Vilbels allerdings nicht verstanden wissen. auch wenn Frankfurt zu jenen Kommunen gehörte, die die geplante Segmüller-Ansiedlung in Bad Vilbel blockiert haben. Ein Prozess, der noch immer andauert. Mit offenem Ende.
Auch für den Stadtmarketing-Vorsitzenden Kurt Liebermeister sowie Monika Delazer und Steffen Kreiling vom Vorstand des Bad Vilbeler Gewerberings ist die optische Verschönerung des Hessen-Centers ein nachvollziehbarer Wunsch. Nicht verstehen kann Liebermeister jedoch die Pläne, die Erweiterung vor allem für Unterhaltungselektronik und Spielwaren zu nutzen. In der Borsigallee, direkt gegenüber dem Hessen-Center befinde sich bereits ein großer Elektronikmarkt, sagt Liebermeister. Und mit den Spielwaren sei es auch nicht mehr so weit her, ergänzt Delazer. Immerhin habe die Großkette „Toys ’R’ Us“ mit mehr als 1600 Geschäften weltweit gerade Insolvenz angemeldet – wegen des zunehmenden Online-Handels.
Ein seit Jahren anhaltender Trend, den auch Delazer mit ihrem Sportartikelgeschäft und Kreiling, Inhaber von „Schuh Schmitt“, sicher verspüren. „Es ist nicht möglich, nur noch nach der Schiene ,Alles nur noch billig’ zu verfahren. Dann werden Leerstände produziert“, sagt Delazer.
Doch ignorieren kann man das Online-Geschäft nicht. Auch wenn ein gemeinsames Online-Portal der Bad Vilbeler Händler nach Einrichtung des freien WLAN in der Innenstadt noch immer in den Startlöchern steht, bietet auch Kreiling seine Waren über das Internet-Portal „schuhe.de“ an. Er könnte auch über den Branchenriesen Zalando anbieten, sagt er. Doch eine Rücklaufquote von rund 50 Prozent will er nicht in Kauf nehmen. Bei seinen Zusatzangeboten wie Orthopädie und dem Nachklopfen von Schuhen komme man ohnehin nicht ohne persönliche Beratung aus.
Da setzen Delazer und Kreiling lieber auf jene Faktoren, die das Netz nicht bieten kann. Persönlichen Service, fachkundige Beratung und zur Not auch einmal auf den Verweis auf eines der anderen Geschäfte in Laufnähe. Für beide ist es der Mix, der eine lebendige Innenstadt ausmacht. Das betreffe nicht das Miteinander großer Filialisten und kleiner Spartenhändler, sondern auch benachbarte Arztpraxen und Cafés. Vor allem im Sommer zieht das, sind sie und auch Liebermeister überzeugt. Denn dann trumpfe die Straße rund um die Neue Mitte vor allem mit Aufenthaltsqualität auf.
Ein Konzept, für das auch Schwander einsteht. Auch wenn er eine Änderung des Einzelhandelskonzeptes als „Quadratur des Kreises“ bezeichnet. Doch für ihn ist klar, dass Frequenzbringer und Traditionsgeschäfte in guter Nachbarschaft existieren können. Auch mit Segmüller, wenngleich dies manch ein Geschäft in der Innenstadt sicher zu spüren bekäme, sagt Kreiling.
Regelmäßige Anfragen
Dass es derzeit zahlreiche leerstehende Geschäfte gibt, schockiert ihn nicht. Er bezeichnet es als übliche Fluktuation, auch wenn etwa die Nidda-Passage durch ihren Zuschnitt immer wieder einmal Probleme habe, neue Mieter zu finden. Doch im Gegenteil bekomme er – an attraktiverer Adresse – regelmäßig Anfragen, ob er nicht aufhören und mit seinem Laden Platz für eine Kette machen wolle.
Manchmal dauere es, bis der passende Mieter gefunden ist, sagt Delazer, „denn manches Angebot will man nicht annehmen“. So etwa den gefühlt 1000. Handy- oder Billig-Laden. Sollte es dann doch mal schwieriger werden, bietet auch das Stadtmarketing Hilfe an. „Wir vermitteln gerne, egal ob städtisch oder privat“, bestätigt Kurt Liebermeister. Er ist sich sicher, dass die Bad Vilbeler Innenstadt bis zum Hessentag gut mit vielfältigen Geschäften bestückt ist.