Einradfahrer formieren sich in einer Linie, halten einander an den Händen, während andere Radler unter den erhobenen Armen hindurchsausen. Es ist mal wieder Training beim Radsportverein Klein-Karben (RSV).
Karben. Marvin Janßen springt vom Einrad. Bereits sieben bis acht Jahre betreibt er diese Sportart, trainiert regelmäßig beim RSV Klein-Karben in der Turnhalle der Selzerbachschule. „Ich habe mit meiner Mutter angefangen“, schildert der 18-Jährige. Als die Mama einen Kurs geschenkt bekommen hatte, gingen er und seine Schwester Anna-Lena (14) mit. „Es hat Spaß gemacht, es ist etwas Besonderes“, erzählt der junge Mann.
Neue Tricks zu lernen, Erfolg zu haben und die eingeschworene Gemeinschaft der Einrad-Fahrer seien etwas Tolles. Und auch, Freunde von Bayern bis Nordrhein-Westfalen zu haben, etwas von der Erdkugel zu sehen: „Wir haben bereits an Welt-, Europa- und Deutschlandmeisterschaften teilgenommen.“
Nicht jeder hat Talent
Vor zwei Jahren wurde Anna-Lena Dritte in der Paarkür, Marvin Erster bei den Deutschen Meisterschaften. Zwei- bis dreimal pro Woche arbeiten die jungen Leute mit Trainerin Andrea Wiegand. Kürzlich war die Truppe bei der Deutschen Meisterschaft in Wegingen am See, trat in der Großgruppe und mit einer Kür mit wenig Abstiegen auf. „Abstieg bedeutet, wenn jemand Bodenkontakt hat und man erkennt, dass es nicht zu einem Trick gehört“, erläutert Marvin.Auch Janika Keßler ist begeisterte Einrad-Fahrerin. „Ich finde, es ist eine ziemlich vielseitige Sportart“, sagt die 21-Jährige. Die vielen Tricks gefallen ihr, wobei sie nicht nur „Freestyle“ macht, sondern auch Rennen fährt und Hockey spielt. „Man kommt rum. Vor zwei Jahren waren wir in Kanada“, ist auch sie natürlich auch von den Reisen begeistert.
Zum Einrad-Fahren kam sie als Jugendliche, als sie samstagmorgens mit den Eltern in einem Discounter einkaufen war und dort Einräder angeboten wurden. „Mein Vater sagte aus Spaß: ’Wollt ihr Einräder?’ Meine Schwester und ich sagten ja.“ Ausprobiert habe sie das Rad auf der Straße, indem sie sich am Gartenzaun festhielt.
In der anderen Hälfte der Sporthalle übt Carolin Stotz (13) aus Karben auf dem Kunstrad. Sie ist nicht die einzige Kunstradfahrerin im Verein, „wir haben noch zwei andere Mädchen und zwei Jungen“, schildert Trainer Heinz-Wilhelm Hartmann. Doch das Kunstradfahren wird in Einzelstunden trainiert.
Nicht jeder sei geeignet, fährt Hartmann fort, es würden Körperverständnis und eine gewisse Geschicklichkeit gebraucht. „Von zehn Interessenten bleiben ein oder zwei übrig, wenn wir manchmal ein Schnuppertraining machen.“
Carolin kam durch einen Flyer auf die Idee, Kunstrad zu fahren. „Ich wollte es sofort machen“, erzählt sie. Für diese Sportart braucht man ein Spezialrad, das dem Verein gehört. Es hat keine Bremse, keine Gangschaltung, weder Licht noch Kette, sondern Zahnriemen. Der Lenker ist frei drehbar. Das Training ist nur in der Halle realisierbar, denn man benötigt einen flächenelastischen Boden.
Nachwuchs finden
Dreimal pro Woche trainiert Carolin. Das hat sich jetzt ausgezahlt: Bei den letzten Hessennachwuchsmeisterschaften wurde sie Zweite, bei den Bezirksmeisterschaften ebenso.
„Jede Übung, die schwerer ist, spornt sie an“, lobt Hartmann, der schon seit 50 Jahren Trainer ist. Mit 20 Jahren war er selbst Kunstradfahrer, begeistert sich aber auch für Einrad, Rennrad und Mountainbike. „Das ist mein Hobby, meine Leidenschaft“, erklärt der ehemalige Maschinenbaumeister. Für die Jugend sei der Sport sehr wichtig, denn Kinder hätten ein Defizit bei den Bewegungsabläufen.
Beim RSV zieht die ganze Familie mit: Während Papa Heinz-Wilhelm als Trainer fungiert, sind seine Frau Heidelinde Kassenwartin und sein Sohn Michael stellvertretender Vorsitzender. Wie in vielen Vereinen sei es nicht einfach, Aktive zu bekommen. Jedes Jahr, wenn die Crosstouren-Fahrt ansteht, die die größte Sportveranstaltung Karbens sei, frage er sich, ob sich genügend Helfer finden. „Es fehlen die Leute zwischen 40 und 50. Doch nächstes Jahr kommen ein paar neue Leute dazu, die sich engagieren wollen.“