48 anerkannte Flüchtlinge suchen in Karben derzeit eine Wohnung, finden aber keine – und müssen weiter in Sammelunterkünften leben. Flüchtlingshelfer und Stadt schlagen nun Alarm.
Karben. Die Hoffnung aufgeben will er nicht. Jede Woche durchforstet Robel Kidane-Temelso (28) die Zeitungen nach Wohnungsanzeigen. „Dann rufe ich dort an“, erklärt er in gebrochenem Deutsch. „Aber die Leute sagen gleich Nein.“ Seit Monaten geht das so.
Aus Eritrea ist der junge Mann vor Diktatur und Verfolgung geflohen, im September 2015 in Karben angekommen. Seinen Antrag auf Asyl haben die Behörden längst genehmigt. Inzwischen hat er auch einen Job gefunden und arbeitet auf einer halben Stelle bei einem Reinigungsunternehmen in Bad Vilbel. Doch aus der Gemeinschaftsunterkunft im Groß-Karbener Fasanenhof kann Kidane-Temelso nicht ausziehen. Denn er findet einfach keine bezahlbare Wohnung.
Das Problem haben derzeit viele Flüchtlinge. Ein Viertel der 196 Menschen, die in den Gemeinschaftsunterkünften in Karben leben, könnten längst ausziehen, weil ihre Asylanträge positiv beschieden worden seien, erklärt Susanne Schubert, die Leiterin des Fachdienstes Soziales im Rathaus. „Zur Integration wäre es gut, wenn die Menschen in eigene Wohnungen ziehen könnten“, weiß Klein-Karbens evangelischer Pfarrer Werner Giesler. Er ist in der Flüchtlingshilfe aktiv. Die sechs Gemeinschaftsunterkünfte in Karben sind nicht allzu groß. Die Bewohner müssten mit nur wenig mehr als zwölf Quadratmetern pro Person auskommen. Und sie wohnten meist in Mehrbettzimmern. „Da leben völlig Fremde zusammen, jeden Tag“, sagt Ulrike Loos von der Flüchtlingshilfe.
Für die ehrenamtlichen Helfer wird die Unterstützung bei der Suche nach Wohnungen zum immer größeren Problem. Beispielsweise für Reinhard Wortmann. Der ehemalige Ortsvorsteher von Klein-Karben, CDU-Mitglied, ist Betreiber der Unterkunft im Fasanenhof, wo Robel Kidane-Temelso lebt. Und er hilft dem Eritreer bei der Wohnungssuche. „Eigentlich wollen alle Flüchtlinge eigenständig leben können und das auch selbst finanzieren“, sagt Wortmann.
Doch seien nicht nur die Mieten sehr hoch, es fehlten überhaupt genügend Angebote. Die Stadt tue, was sie könne, sagt der für Integration zuständige Stadtrat Mario Schäfer (Grüne). Bis Mitte 2019 baue sie 18 weitere Wohnungen – zu den knapp 100 Appartements, die sie bereits im Bestand hat.
Allerdings: „Wir haben 90 Bewerber für Wohnungen“, räumt Schäfer ein. Davon seien nur zehn Flüchtlinge. Insgesamt habe die Hälfte der Bewerber Migrationshintergrund. Schäfer betont: Die Unterbringung der Flüchtlinge habe keinen Vorrang. „Es geht um alle Menschen in sozialer Not.“
Das bestätigt Vize-Bürgermeister Friedrich Schwaab (CDU): Bei der Wohnungsvergabe entscheide allein die soziale Lage der Bewerber. Eigentümer müssten vermietbaren Wohnraum dringend freigeben, etwa ungenutzte Einliegerwohnungen. „Geht man mit offenen Augen durch die Stadt, sieht man ja, wo etwas leer steht“, sagt Ulrike Loos.
Oftmals stehe Wohnraum in Häusern älterer, allein lebender Menschen leer, weiß Werner Giesler. Diese hätten jedoch oft Bedenken, fremde junge Männer bei sich einziehen zu lassen. Das sei nach Berichten über Gewalt und Übergriffe Einzelner durchaus verständlich. „Aber so sind die meisten Geflüchteten ganz sicher nicht, im Gegenteil.“
Davon wollen die Helfer potenzielle Vermieter überzeugen. Zum einen, indem die Helfer die Flüchtlinge auch nach Einzug in eine Wohnung weiter betreuen. Zum anderen bieten die Helfer ein unverbindliches Kennenlernen an. „Wir können gern mit ihnen vorbeikommen“, sagt Giesler.
So schwierig der Wohnungsmarkt auch ist, er ist durchaus noch vorhanden: 58 Geflüchtete hätten seit 2014 Wohnungen in Karben gefunden, sagt Schubert. 53 zogen nach außerhalb. Mehrfach hätten sich Vermieter schon überzeugen lassen, nachdem sie die möglichen Mieter kennenlernten.
Auf diesem Weg hofft auch Robel Kidane-Temelso doch noch eine Wohnung zu finden. In Eritrea war er Diplom-Lehrer für Tourismus- und Hotelmanagement. In diesem Bereich würde er gern wieder arbeiten. Bis dahin schuftet er weiter im „Textilmanagement“: „Ich muss Geld verdienen, um mein Leben zu bezahlen.“ (den) Siehe Seite 5