Unter all den Karbener Feierlichkeiten zum Jubiläum der Kirchenreformation soll das Theaterstück „1517“ das Highlight werden. Künstlerische Freiheit inklusive: Auf der Bühne trifft Martin Luther eine Petterweilerin.
Karben. Ehrfürchtig blickt der junge Mann Martin Luther an. „Studieren möchte ich bei Euch!“ Erasmus Alberus hält seine Unterlagen beim Vorsprechen vor dem Kirchenreformator fest umklammert, an der anderen Hand seine Cousine. „Ihr …“, setzt Laienschauspieler Lukas Golla seine Anrede fort, als ein Ruf vor der Bühne ertönt. „Noch einmal! Schätzchen, du musst lauter sprechen, wir hören dich hier kaum!“, unterbricht Anne Georgio.
Es ist der Feinschliff, an dem die Regisseurin in Petterweil noch feilt: Hier ein kleiner Texthänger, dort eine zu leise Stimme, mal eine falsche Platzierung. Wenige Wochen haben die 15 Laienschauspieler noch, um diese kleinen Patzer zu beseitigen. Denn am 31. Oktober führen sie – pünktlich zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags – ihr Stück „1517“ erstmals auf.
Zwei Frauen schreiben
Die vergangenen Wochen stecken für die Theatergruppe voller Arbeit. Einmal in der Woche lassen die Schauspieler das Bürgerhaus bereits auf Zeitreise gehen, bald kommen Wochenendproben hinzu. Die Idee, im Reformationsjahr ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen, stammt aus der Kirchengemeinde. „Uns ist aber wichtig, dass wir nicht das Lutherjahr feiern, sondern das Reformationsjahr“, betonen Lilly Gress und Ulrike Schramm.
Beide waren lange Jahre Mitglieder im Kirchenvorstand. Gemeinsam haben sie das Textbuch geschrieben und die Umsetzung des Projekttheaters übernommen. Die beiden Frauen haben zwar keinerlei Theatererfahrung, aber zur 1200-Jahr-Feier des Stadtteils im Jahr 2001 konnten sie schon einmal mit einem historischen Stück begeistern. Von damals kennen sie auch den einzigen Profi im Team: Regisseurin Georgio, die schon bei den Burgfestspielen Bad Vilbel Regie geführt hat. „Die Zusammenarbeit hat damals super geklappt, und deswegen sind wir froh, hier anknüpfen zu können“, sagt Gress.
Eine Dialekt-Rolle
In ihrem Stück spielt Martin Luther zwar eine wichtige Rolle, seine gesamte Biografie soll jedoch nicht dargestellt werden. Die Autorinnen haben sich deshalb bewusst entschieden, die Woche vor dem 31. Oktober 1517 herauszugreifen, Martin Luther hat gerade seine Thesen verfasst. Die künstlerische Freiheit, ein wenig an der Historie zu feilen, haben sich die Petterweilerinnen nicht nehmen lassen: So ist Luther gerade nicht in Wittenberg, sondern in Eisenach – weil ein Aushilfspfarrer gesucht wird. Und: Eine Magd, die sich um Luther kümmert, entpuppt sich als geborene Petterweilerin.
„Für das Verkörpern der Rolle macht es für mich keinen Unterschied, ob es diese historisch wirklich gab oder nicht“, sagt Laienschauspielerin Rike Golla. Sie freut sich aber: „Ich bin die Einzige, die Dialekt sprechen darf“, sagt sie mit einem Lächeln. Ihr Sohn – auf der Bühne Cousin Erasmus Alberus aus Bruchenbrücken – kommt direkt von der Arbeit in die Probe. „Das ist zum Teil schon anstrengend, macht aber Spaß“, erklärt Lukas Golla sein Engagement. Und: Seine Mutter findet es klasse, etwas mit ihrem Sohn gemeinsam zu unternehmen. Zum ersten Mal probte die Truppe vergangene Woche mit ihren historischen Kostümen, während der Anprobe half Regisseurin Anne Georgio bei der Verwandlung von Lukas Golla in Erasmus Alberus. Die Kostüme stammen von einem Kostümverleih und aus dem Fundus der Städtischen Bühnen Frankfurt.
„Schon mit dem Start der Proben kurz nach Ostern haben wir alle Mitwirkenden ausgemessen“, sagt Gress, die eine dicke Mappe mit allen Maßen in der Hand hält. „Und das hat sich ausgezahlt: Alle Kostüme passen. Nun geht es darum, dass sich alle wohlfühlen.“ Kunstlehrer Jens Guthmann gestaltet mit seiner Oberstufenklasse der Kurt-Schumacher-Schule das Bühnenbild. Und um das Publikum mit den Aufführungsabenden ganz und gar auf Zeitreise zu schicken, gibt es zum Theaterstück einen mittelalterlichen Markt im Hof des Bürgerhauses. Während im Bürgerhaus geprobt wird, bereiten auch die Markt-Leute ihren Auftritt vor. Gerade haben sie sich zur Besprechung der Stände getroffen und letzte Maße ausgetauscht.
Die Petterweiler Projekt-Theatergruppe führt „1517“ am Dienstag, 31. Oktober, und, wegen der großen Nachfrage, auch am Samstag, 4. November, auf. Beginn ist jeweils um 19 Uhr im Albert-Schäfer-Haus, Sauerbornstraße 12–14.
Karten gibt es zum Preis von zehn Euro in der Paracelsus-Apotheke, Sauerbornstraße 15, sowie für 11,50 Euro über www.eventim.de. An der Abendkasse kosten Karten, sofern noch verfügbar, zwölf Euro. Bereits ab 18 Uhr sowie in den Spielpausen lädt der Mittelalter-Markt im Hof des Bürgerhauses Petterweil zum Verweilen ein. (jkö)