Schöneck. In ihrer langen, weißen Festrobe und mit frisch gelegter Dauerwelle sitzt die Büdesheimer Laternenkönigin strahlend inmitten ihrer Hofdamen. Im Arm hält Sigrid I. einen Strauß Gladiolen, in der Hand ein selbst gebasteltes Zepter mit Klapplaterne und eingebauter Taschenlampe. Bei der Krönung trug sie auf dem Haupt ein fragiles Krönchen aus der Faschingskiste. 1959 wusste man sich eben zu helfen. Was damals niemand ahnte: Sigrid I. folgten bis zum heutigen Tag 49 weitere gekrönte Häupter.
„Eigentlich wollte ich das gar nicht machen“, erinnert sich Sigrid Wettich (damals Jansen) an ihre Zeit als erste Königin des Büdesheimer Laternenfestes und lacht. Fünf Jahre lang war der Spielmannszug des Sport- und Kulturvereins (SKV) bei Laternenschein immer wieder durch die Gassen von Büdesheim gezogen, als der Gemeinderat sein monarchistisches Herz entdeckte, und beschloss eine Hoheit zu küren. „Du gibst die Laternenkönigin“, habe ihr Onkel sie aufgefordert. „Ich nicht“, war die Antwort der 21-Jährigen. Auch die Mitbürger zweifelten an der Idee, und nannten sie vorab scherzhaft „Miss Funzel“. Dem Onkel zuliebe habe sie dann eingewilligt und einen gewissen Ehrgeiz an den Tag gelegt, ihr Amt würdevoll auszuüben.
Strenge Vorschriften habe es gegeben. „Das Kleid hatte in Weiß zu sein, und die Hofdamen in Hellblau und Rosa“, schmunzelt Sigrid Wettich heute.
Im selbst genähten Prinzessinnenkleid wurde die junge Frau mit ihren Hofdamen Irmgard Buxmann und Gisela Jaschick vor ihrem Wohnhaus in der Friedrichstraße abgeholt und zum Rathausplatz geleitet. „Der Platz war Schwarz von Leuten, unglaublich wie viele gekommen waren“. Die drei Grazien sollten ein Podest besteigen, das man allerdings der düsteren Lichtverhältnisse wegen mit den schicken, hochhackigen Schuhen „nur unter Lebensgefahr“ erklimmen konnte. Auch passte Bürgermeister Karl Günther nicht mehr darauf, so dass sich Sigrid I. wie einst Napoleon selbst die Krone aufsetzte. Danach brachte ein offener VW Käfer die drei Damen zur Pressekonferenz. Familien, Freunde und Bekannte im Schlepptau fuhr die erste Laternenkönigin mitsamt ihrem Hofstaat stehend und winkend zur Turnhalle.
Zwei Wochen später startete das eigentliche Laternenfest. „Es war einfach toll“, schwärmt Sigrid Wettich noch heute. Man feierte ausgelassen und wollte sogar wie bei einer Hochzeit die Königin entführen. Da das Kleid aber nicht schmutzig werden sollte, wurde stattdessen Albert Bauer, selbst ernannter Hofmeister, mit seiner Feuerwehrtruppe zum Schein festgenommen, in einem rumpeligen Gefängniswagen abtransportiert und zum Gaudi aller erst später wieder in die Feier-Runde aufgenommen.
Der Laternen-Festzug mit dem Motto „Schöne deutsche Heimat“ bestand auch damals schon aus beeindruckend hergerichteten Wagen. Mit Bussen waren sogar zwei amerikanische Militär-Bands angereist, die mit ihren originellen Formationen alle begeisterten. „Es war ein richtiges Dorfgemeinschaftsfest mit einer super Stimmung“, erzählt Sigrid Wettich. Ihre Entscheidung habe sie nie bereut. Und das schöne, lange Krönungskleid kam bei ihrer Hochzeit noch einmal zu Ehren.
Das Büdesheimer Laternenfest beginnt am Freitag (1. August) ab 19.30 Uhr im Festzelt auf dem Festplatz mit der Krönung der 50. Laternenkönigin, die sich (Donnerstag) in einer Pressekonferenz der Bevölkerung vorstellt. Weitere Infos auch unter www.buedesheimer-laternenfest.de