Karben. Neue Busse und mehr Qualität im Nahverkehr – darauf können sich die Fahrgäste im Stadtverkehr in Karben, Wöllstadt, Altenstadt und Büdingen ab Dezember freuen. Zu diesem Zeitpunkt werden die Buslinien neu vergeben. Was seit Jahren schon auf diversen Linien im Wetteraukreis geschah, sorgt diesmal aber für viel Gezerre im Hintergrund. Leidtragende könnten die Busfahrer sein – und möglicherweise die Familienbetriebe Eberwein in Karben, Stroh in Altenstadt und Balser in Büdingen.
Für die mittelständischen Unternehmer steht viel auf dem Spiel: „Das ist eine Not-Allianz, um gegen die Großen bestehen zu können“, sagt Ingeborg Strehl, Inhaberin des Burg-Gräfenröder Omnibusbetriebes Karl Eberwein. Der Familienbetrieb hat zehn Busse auf zwei Linien im Dienst. Mit weiteren zwei Reisebussen und insgesamt 15 Mitarbeitern ist Eberwein zu klein, um gegen die Riesen aus der Branche mitzuhalten. Längst sind Arriva, Abellio, Veolia und die First Group in der Nachbarschaft der Roggauer unterwegs. Ihr Vorteil: „Sie haben Kapital im Hintergrund“, sagt Strehl. Das sei nötig, um die Vorgaben der Politik nach immer besserem Nahverkehr umzusetzen.
Konkret betroffen sind die Linien
FB-5 Erbstadt – Bad Nauheim
FB-7 Karben – Friedberg
FB-26 Bad Vilbel – Petterweil
FB-41 Altenstadt – Büdingen
FB-42 Altenstadt – Büdingen
FB-43 Hammersbach – Büdingen
FB-44 Ronneburg – Büdingen
FB-45 neuer Stadtbus Büdingen
FB-71 Büdingen – Friedberg
Sie umfassen für Karben/Wöllstadt 950 000 Buskilometer, für Altenstadt/Büdingen 780 000. Wer die Buslinien ab Dezember betreiben möchte, muss strengen Qualitätsanforderungen gerecht werden. Die hat das Regierungspräsidium Gießen auf Basis des Nahverkehrsplans für die Wetterau sowie der Vorgaben des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) festgeschrieben. So könnte Eberwein zum Beispiel nur noch seine neuesten Busse einsetzen, müsste alle älteren Fahrzeuge ersetzen. „Man fordert jede Menge, aber es soll alles billig-billig sein“, klagt Chefin Strehl. „Im Prinzip können das nur Global Player.“ Kleine Firmen wie die drei Wetterauer dagegen müssten sich „nach der Decke strecken“ und die hohen Kosten „durch persönliches Engagement der Firmen und der Mitarbeiter“ ausgleichen. Will heißen: Auch die kleinen Betriebe können sich kaum mehr als den Standardtarif leisten, den alle Großen zahlen. Das gibt Strehls Kollege Friedel Stroh unumwunden zu. „Wir liegen da nur 2,x Prozent drüber.“ Um einer möglichen Ausschreibung zu entgehen, versuchen Stroh, Eberwein und Balser vom Regierungspräsidenten (RP) direkt einen Zuschlag für die Linien zu bekommen. Das ginge, wenn die drei glaubhaft darlegen können, die Linien acht Jahre lang kostendeckend zu betreiben. „Ich gehe davon aus, dass die Fahrgeldeinnahmen ausreichen“, sagt Friedel Stroh. Zwar mache ihm die Entwicklung beim Dieselpreis Angst, und auch mit der Kalkulation über acht Jahre betritt der Unternehmer Neuland. „Aber ich hätte den Antrag nicht gestellt, wenn ich nicht davon überzeugt wäre“, sagt der Altenstädter. Der direkte Wettbewerb mit Busunternehmern ist für die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) dagegen neu: Sie kann diese nicht mehr direkt – wie bisher – in einer europaweiten Ausschreibung vergeben. Der indirekten Tochter des Kreises kommt nämlich das Steuersparmodell der eigenen Konzernmutter Zweckverband Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV) in die Quere. Bisher spart der Kreis damit kräftig Steuern aus den Gewinnen der Energiesparte Ovag ein: In der Dachgesellschaft ZOV werden diese mit den Verlusten der VGO aus dem Nahverkehr verrechnet. Das Land lässt den Kreis dabei nur noch gewähren, wenn sich die VGO zu Beginn einem Wettbewerb stellt und auch zunächst die Rechte für die Linien beantragt – so wie jetzt gegen die drei Busfirmen.
Man wundert sich beim ZOV, wie Stroh, Balser und Eberwein die Buslinien, die bisher Verluste einfahren, künftig wirtschaftlich betreiben wollen – zumal die Einnahmen aus Fahrscheinverkäufen sinken. „Da haben wir eigentlich einen gegenläufigen Trend, weil mit zurückgehenden Schülerzahlen auch die Einnahmen sinken“, sagt ZOV-Geschäftsführer Stefan Klöppel. Daher habe er „Bauchschmerzen, wie man die Zeit durchstehen will“.
Ansonsten aber muss Stefan Klöppel zugeben, dass „erstmal das Defizitrisiko für den Steuerzahler geringer“ wird, sollten die Privaten die Strecken auf eigene Rechnung betreiben. „Das wird ganz schön eng“, gibt selbst Busunternehmerin Strehl zu. Dieses Risiko aber sieht sie als „das kleinere Übel“ an. „Das ist die einzige Chance, überhaupt noch auf dem Markt zu bleiben.“(den)