Plötzlich in Existenzangst: Zwei Gastwirten in Karben droht das Aus. Die Stadt hat die Verträge für die gut laufenden Restaurants im Bürgerzentrum und im Bürgerhaus Okarben gekündigt. Über das Vorgehen von Bürgermeister Guido Rahn (CDU) sind beide Gastronomen perplex.
Karben. „Ich bin richtig enttäuscht“, sagt Francesco Bruno (56). Im neunten Jahr betreibt er das Restaurant „Roma“ im Bürgerzentrum. Mit großem Erfolg, sein Essen kommt gut an, mittags und abends sind oft die meisten Tische belegt. „Solange wie ich war noch kein Pächter hier drin“, erinnert Bruno. Die vorigen Betreiber hielten immer nur kurz durch.
Doch ausgerechnet der erfolgreichste der Gaststätten-Pächter der Rathausstube soll sich nun neu bewerben für einen Folgevertrag. Dass die Stadt den Vertrag mit Bruno nicht verlängern, sondern die Vergabe der Gaststätte neu ausschreiben wolle, bestätigt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Und nicht nur im Bürgerzentrum: Auch dem Gastwirt der Bürgerstube im Bürgerhaus Okarben droht das Aus.
„Die Verträge laufen regulär aus und das wollen wir nutzen“, erklärt Rahn. Die Kündigung geschehe ohne Blick auf die bisherigen Pächter: „Wir haben das nicht gemacht, weil wir unzufrieden sind.“ Vielmehr wolle die Stadt das kulinarische Angebot verbreitern: „Wir haben zu viele Pizzerien in der Stadt, wollen auch mal etwas anderes haben.“
Auf Bewerbungen kreativer Gastronomen mit „frischen Ideen“ hofft der Bürgermeister. Bis Ende Mai läuft die Bewerbungsfrist.
Die bisherigen Pächter könnten sich natürlich bewerben, betont Rahn. Doch erwartet man im Rathaus beispielsweise von Bruno, „dass er sich ein bisschen Gedanken macht“. Der Bürgermeister moniert, dass es im „Roma“ seit Jahren die gleiche Speisekarte gebe. „Darauf stehen 120 Gerichte – das kann man nicht alles frisch da haben.“
Vorgehen ungewöhnlich
Solche Kritik bringt Francesco Bruno zur Weißglut. „Ich muss mich für mein eigenes Lokal bewerben? Wo gibt es denn sowas?“ 20 Jahre lang schon bewirte er Gäste in Karben. Vor der Rathausstube betrieb der Italiener ein Lokal im Hotel Stadt Karben, davor ein gut laufendes Restaurant im benachbarten Gewerbegebiet Klein-Karben.
Zumindest überrascht ist auch Mladen Billege (62), der Gastwirt der Bürgerstuben in Okarben. „Eine Ausschreibung ist etwas Neues, das kenne ich noch nicht.“ Seit sechseinhalb Jahren bereits führt er das Restaurant – und hat noch viel mehr Erfahrung, führte zuvor 15 Jahre lang die Bürgerhaus-Gaststätte in Nidderau-Ostheim. Dass eine Kommune die Verpachtung ohne Not neu ausschreibe, bewertet der Koch als ungewöhnlich: „Normalerweise sind die Gemeinden froh, wenn sie gute Pächter haben.“
Eine Neu-Bewerbung bereitet der Okarbener bereits vor. „Natürlich will ich das nicht aufgeben.“ Denn er habe viel investiert, zuletzt in neues Mobiliar für die Terrasse. Auch sei die Lokalität „eine harte Nuss“ gewesen: „Erst nach fünf Jahren ist das Eis gebrochen“, sagt Mladen Billege. Deshalb wolle er weitermachen, sagt der Kroate.
Ebenso will Franceso Bruno sein „Roma“ im Bürgerzentrum nicht kampflos aufgeben. Allerdings erwartet er, dass die Stadt jene Sanierungen endlich vornimmt, die seit Jahren überfällig seien. Boden und Lüftung in der Küche müssten dringend erneuert werden. Die Fassade hat ihre besten Zeiten hinter sich. Die knarzenden, wackligen, uralten Stühle ebenso.
„Fühle mich schikaniert“
Zudem sei er nicht länger bereit, die Toiletten im Untergeschoss mit der Kegelbahn teilen zu müssen, erklärt der Gastwirt. „Wir benötigen dringend barrierefreie, eigene Toiletten im Erdgeschoss.“
Einige Investitionen hat die Stadt durchaus vor – aber draußen. Hinter Gaststätte und Bürgerzentrums-Saal sollen wohl im Herbst die Nidda-Terrassen gebaut werden, kündigt der Bürgermeister an. Auch eine große Fläche für die Außenbewirtung der Gaststätte soll entstehen. Um die 200 000 Euro wolle die Stadt sich den Umbau zum „Erlebnispunkt“ kosten lassen.
Dass die Stadt dafür Geld hat, aber nicht für seine Gaststätte, das fuchst Francesco Bruno. Ebenso, dass die Stadt ausgerechnet mit ihm als zuverlässigstem aller Pächter der Rathausstube so umspringt.
Er habe immer seine Miete pünktlich bezahlt, beteuert Bruno. Er beteilige sich freiwillig an Ausgleichszahlungen, die die Stadt für Knebelverträge mit einer Brauerei abgeschlossen habe. Er habe selbst fünf Jahre verspätete und damit rechtlich nichtige Nebenkostenabrechnungen ohne Mucken bezahlt.
Und nun die Kündigung? Im Roma-Wirt brodelt es derzeit wie in einem süditalienischen Vulkan: „Ich fühle mich schikaniert.“ (den)