Zum Tauschtag der Bad Vilbeler Briefmarkensammler kommen mehr als 100 Besucher. Probleme bereitet dem örtlichen wie allen anderen Philatelie-Vereinen der fehlende Nachwuchs.
Bad Vilbel. „Die ersten Sammler sind bereits um sieben Uhr dagewesen und um acht Uhr wieder weg“, berichten Mitglieder des Briefmarkensammlervereins Bad Vilbel. Es herrscht den ganzen Tag über ein ständiges Kommen und Gehen. Schnell haben sich die Sammler einen Überblick über das Angebot verschafft, da fast jeder ein Spezialgebiet hat. Die meisten sammeln nach Ländern, andere nach Motiven. Der Vilbeler Johannes Holtappels frönt seinem Hobby seit 40 Jahren. Wolfgang Bechtloff aus Kefenrod ist den gezackten Schönheiten bereits seit 60 Jahren verfallen.
„Ich sammele neue deutsche Briefmarken von 2000 bis 2017“, berichtet Johannes Holtappels. „Tauschen wollte ich heute Schweizer Franken, aber die Leute hier wollen nur verkaufen“, fügt er hinzu.
Eckrandspazialisten
Wolfgang Bechtloff ist an Fehldrucken aus dem Jahr 2016 interessiert: „Da gab es Weihnachtsmarken mit Grüßen in verschiedenen Sprachen. Teilweise waren sie fehlerhaft. Die Post hat die bereits ausgelieferten Marken zurückgezogen, korrigiert und wieder neu aufgelegt.“ Gefunden hat Bechtloff allerdings keine.
„Wir suchen rückseitig bedruckte Marken“, berichten Peter und Ingrid Kühnel aus Dreieich-Sprendlingen. „In Lettland hatte man in den 1920er Jahren kein Papier für Briefmarken, deshalb druckte man sie auf einseitig bedruckte Banknoten.“ Die Post in Portugal druckte in den 1960/70er Jahren auf die Rückseiten ihrer Marken Erklärungen und Liedtexte aus der Zeit der „singenden Revolution“. Obwohl das Ehepaar akribisch alle Kisten durchstöberte, wurden sie hier nicht fündig.
„Ich sammele Briefmarken seit 1951 und habe mich zu einem Eckrandspezialisten mit Formnummern entwickelt“, sagt Günther Greis aus Bad Homburg: „Für mich sind von 100 Marken pro Bogen nur drei interessant.“
Wer den Sammlern aufmerksam zuhört, bekommt eine Stunde lebendigen Geschichtsunterricht gratis. Sie erfahren, dass die Westberliner Marken alle ihren Wert bei der Wiedervereinigung 1990 verloren haben. „Das Gleiche geschah bei der Euro-Einführung.“
„Uns fehlt der Nachwuchs, die Preise für Briefmarken gehen in den Keller und meine Enkel haben kein Interesse. Deshalb verkaufe ich meine Marken sukzessive“, sagt Günther Greis.
Ein Blick in den Saal bestätigt das Dilemma der Philatelisten. Überwiegend ältere Herren sitzen sich an den langen Tischreihen gegenüber. Vor sich haben sie dicke Alben mit unzähligen Marken oder Kästen mit Postkarten und Briefen liegen oder sie studieren Kataloge. Ganz selten wird um Preise gefeilscht, meist wird getauscht.
Das Nachwuchsproblem kennt auch Werner Scholten. Er ist seit 1996 Vorsitzender der Vilbeler Philatelisten. Damals hatte der Verein noch 63 Mitglieder, heute sind es noch 23 Sammler. Meist kommen Männer zu den Tauschtagen, Frauen sammeln außerhalb von Vereinen, viele haben sich von ihnen auf Motive spezialisiert.
Filigrane Schätze
Wichtige Hilfsmittel der Sammler sind Pinzette und Lupenglas mit denen sie ihre kostbaren, filigranen Schätze sortieren, ansehen, bewundern oder präsentieren. Der Frankfurter Bodo von Kutzleben besitzt Raritäten wie Briefe aus dem Dreißigjährigen Krieg und sammelt alte deutsche Marken von 1852 bis 1867 aus dem Thurn- und-Taxis-Gebiet.
Oft tragen die Briefe zwei Stempel, denn in Hanau wurde die Post sechs bis sieben Mal täglich ausgetragen. Beim Ringnummernstempel handelt es sich um den Vorläufer unserer Postleitzahlen. Briefe zu verschicken, war eine kostspielige Angelegenheit. „30 Kreuzer von 1860 entsprechen heute 300 Euro, das Briefporto von Bad Vilbel nach Frankfurt betrug drei Kreuzer, was heute 30 Euro entspricht.