Gegner und Planer des Ausbaus der S 6-Strecke zwischen Bad Vilbel und Friedberg werden Mitte diesen Monats direkt aufeinander treffen: Dann läuft in Dortelweil die offizielle Anhörung zur Erweiterung der Main-Weser-Bahn auf vier Gleise in der Wetterau. Ungewöhnlich lange hat es gedauert seit der ersten Offenlage der Planung – doch offenbar aus einem recht guten Grund.
Bad Vilbel/Karben/Wetterau. Es ist ein ganz normaler Verfahrensschritt. Und doch etwas ganz Besonderes. Wenn die Einwendungen, die Betroffene gegen den Ausbau der S 6 zwischen Bad Vilbel und Friedberg vorgebracht haben, beim „Erörterungstermin“ besprochen werden, genügt dafür kein Sitzungssaal. Sondern es muss schon das Kultur- und Sportforum in Dortelweil sein.
Für drei Tage im April und sechs Tage im Mai hat das Darmstädter Regierungspräsidium (RP) die größte Versammlungsstätte der südlichen Wetterau angemietet. Die Behörde führt das Anhörungsverfahren zur Genehmigung für den Ausbau der 16,9 Kilometer langen Strecke: Bauabschnitt zwei von Bad Vilbel über Karben und Wöllstadt nach Friedberg.
Abschnitt eins – von Frankfurt-West bis Bad Vilbel – hat das Genehmigungsverfahren schon hinter sich: Hier sollen im Herbst die Bagger anrollen. Die S 6 soll auf diesem Abschnitt ab 2022 auf eigenen Gleisen rollen, damit schneller und zuverlässiger fahren.
Wann die Bagger in der Wetterau anrollen können, darüber wagt bisher niemand eine Prognose. Im Friedberger Kreishaus rechnet man nicht vor 2027 mit dem Ende der Arbeiten auf dem Abschnitt Bad Vilbel–Friedberg.
Weniger Einwände
Ungewöhnlich lang zieht sich bereits das Verfahren für den Abschnitt hin. 2011 hatte das RP die erste Fassung der Pläne öffentlich auslegen lassen. Ergebnis: Von 600 Privatpersonen gab es Einwendungen, ebenso eine Sammeleinwendung der Frankfurter Bürgerinitiative „Bahnane“, die sich gegen den Ausbau stemmt. Hinzu kamen 60 Stellungnahmen von Behörden.
Daher folgten reichlich Umplanungen bei der Bahn-Tochter DB Netz, die im Auftrag von Bund, Land, Stadt Frankfurt und Wetteraukreis das Vorhaben realisieren soll. „Nach der ersten Offenlage wurde vieles geändert“, erklärt RP-Sprecher Christoph Süß. Nicht nur die Einwendungen flossen in die Umplanung ein. Auch wartete DB Netz die finalen Richtersprüche zum ersten Bauabschnitt ab.
Die Vorgaben von dort, etwa zum Lärm- und Erschütterungsschutz, wurden in der Umplanung gleich berücksichtigt. Mit merklichem Erfolg: Nach der erneuten Offenlage der geänderten Pläne Ende 2015 ging die Kritik spürbar zurück. So trudelten beim RP nur noch 170 Einwendungen privater Betroffener und 25 Stellungnahmen von der öffentlichen Hand ein.
Von 2000 Menschen sei die Sammeleinwendung von „Bahnane“ unterzeichnet, erklärt der RP-Sprecher. Dabei seien bereits nach der ersten Offenlage deutlich über tausend Unterschriften vorhanden gewesen und nach der zweiten weitere nachgereicht worden. Die hohen Zahlen der Einzelwendungen müsse man allerdings relativieren: „Diese sind oft gleichen Inhalts und kopiert worden“, unterstreicht Christoph Süß. „Es geht daher um deutlich weniger Einzelaspekte.“ So werden beim Erörterungstermin oftmals mehrere Betroffene zugleich ihre Anliegen mit den DB-Netz-Planern besprechen.
Für die „Bahnane“-Sammeleinwendung hat das RP den 20. April vorgesehen. Weitere Behördenvertreter kommen am 21. April dran. Zwischen 17. und 22. Mai werden Privatleute gehört, die Teile ihrer Grundstücke für die neuen Gleise hergeben müssen. Den 23. und den 24. Mai hat das RP als Reservetage vorgesehen, falls die Zeit zuvor nicht für alles genügt hat.
Lösungen suchen
Den Anfang machen am 19. April die Kommunen. So wie die Stadt Karben: Sie hat sich unter anderem gegen den Vorschlag gewandt, die Fußgängerbrücke zwischen Okarben und dem Gewerbegebiet Spitzacker mit ausladenden Zugangsspindeln ähnlich wie Parkhausauffahrten zu bauen. Wie üblich in solchen Verfahren läuft die Erörterung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur wer eine Einwendung eingereicht hat, ist dabei.
Das hat einen guten Grund: Konfrontation ist nicht das Ziel der fachlichen Gespräche, sondern bei der Erörterung sollen Lösungen entstehen. Drei Wege sind möglich: Entweder erklären die Planer ihr Vorhaben so gut, dass die Einwender zustimmen. Oder die Einwender überzeugen die Planer, etwas zu ändern. Oder aber beide werden sich nicht einig. Dann entscheidet das Eisenbahnbundesamt aus fachlicher Sicht.
Die Erkenntnisse aus dem Erörterungstermin werden in erneut angepasste Planung einfließen. Ist diese nach einigen Monaten fertig, kann das Eisenbahnbundesamt dann Baurecht erklären – den sogenannten Planfeststellungsbeschluss. Erst dagegen können Betroffene dann klagen. (den)
Hohe Kosten, hoher Nutzen
Der S 6-Ausbau zwischen Frankfurt-West und Friedberg soll 550 Millionen Euro kosten. Der Bund zahlt die Hälfte, rund ein Viertel das Land, den Rest die Stadt Frankfurt und der Wetteraukreis. Die S-Bahn soll auf eigenen, separaten Gleisen rollen. So kann der Pendlerverkehr nach Mittelhessen verstärkt werden. Daher hatte der Bund dem Projekt einen hohen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,67 bescheinigt. Mit dem Ausbau erhalten die Wetterauer erstmals Lärmschutz an der Main-Weser-Bahn. (den)