Jörg-Uwe Hahn (FDP) feierte vergangene Woche seinen 60. Geburtstag. Liberale Freiheiten und das Stricken von Netzwerken, um Dinge zu bewegen – das ist ihm wichtig. Doch mit der großen Politik und der Juristerei hat er abgeschlossen, will sich für die wirtschaftliche Weiterentwicklung Bad Vilbels und als Kontakteknüpfer in der Wirtschaft engagieren. Vor allem aber sollen die Familie, Sport und Reisen nicht mehr zu kurz kommen, wie in seiner Zeit als stellvertretender Ministerpräsident.
Bad Vilbel. Das Fotomotiv im Garten ist schnell gefunden, fast wie bei einem Theaterstück. Ein Windlicht, ein Rotweinglas, das Blackberry-Smartphone und ein Tablet. Das Tableau charakterisiert den Jubilar trefflich: Der Wein symbolisiert seinen Hang zur Geselligkeit, Tablet und Handy seine Leidenschaft für das Netzwerken und Kontakte knüpfen, das Windlicht für seine zielgerichtete Ausdauer.
Die habe er im sehr politischen Elternhaus kennengelernt. Der Vater arbeitete als hoher Offizier im Verteidigungsministerium, „da habe ich als Kind Politik hautnah miterlebt“. Anfang der Siebzigerjahre kam der Umzug nach Dortelweil, der Vater wurde für die FDP in den Ortsbeirat des 1972 eingemeindeten Stadtteils gewählt.
Auch Jörg-Uwe Hahn politisierte sich, war auf dem Friedberger Augustiner-Gymnasium bei den Jungliberalen aktiv. Damals schon sei Freiheit für ihn wichtig gewesen: „Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden.“ Bis heute begleitet ihn dieses Motto. Den Ausschlag für das Jurastudium gab die Aussicht auf einen selbstständigen Beruf und „dass man auch in der Politik viel machen kann“. 1977 kam Hahn für die FDP in den Wetterauer Kreistag. Damals entstand auch seine Freundschaft zu dem späteren Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), damals einer der als „junge Wilde“ geltenden Nachwuchspolitiker.
Damals sei er eher linksliberal gewesen, sagt Hahn heute – „aber nicht in der radikalen Form“. Beruflich ging es eher pragmatisch zu: er vertrat Verkehrssünder vor Gericht. Im Nachhinein hatte auch das etwas Gutes, wegen des Redens und Argumentierens. Heute möchte er nicht mehr als Anwalt auftreten, schon, um sich nicht als ehemaliger Justizminister vom Nachwuchs belehren lassen zu müssen.
Wirken für Bad Vilbel
Hahn sei ein Macher, den es in die Politik ziehe, um etwas zu bewegen. Seit Mitte der 1990er sei sein Ziel der stellvertretende Ministerpräsident in Wiesbaden gewesen, bekennt er heute. Die fünf Jahre in Regierungsverantwortung und zuvor die Arbeit im Landtag als FDP-Vorsitzender hat er genutzt, um für sein Bad Vilbel etwas zu bewirken: 1999 für den Bau der Nordumgehung, später beim Bundesverkehrsminister für den Bau der Wöllstädter Umgehungsstraße und für die Burgfestspiele. Noch immer ist er in einer zweiten Kommission an der Föderalismusreform beteiligt. Den Zentralismus, dass der Bund alle Aufgaben an sich reiße und die Länder sie finanzieren müssten, findet er schlecht. Auch in Bad Vilbel gebe es ein Beispiel dafür, die Mensa der Brunnenschule. Gebaut kurz vor der Schulschließung, weil es Bundeszuschüsse gegeben habe.
Nach dem Debakel der Landtagswahl 2013 trat Jörg-Uwe Hahn zurück, gab Minister- und Fraktionsämter ab. „Ich habe die Bundespolitik auf Null gefahren“, sagt er, „jede Zeit hat ihre Aufgaben“. Gerade hat er als einfacher Abgeordneter die FDP in der Haushaltsdebatte in Wiesbaden vertreten.
„Der Hahn kräht weiter“, betont das Geburtstagskind. Doch die Schwerpunkte liegen woanders. In Bad Vilbel etwa, wo er die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur mit Kombibad, sondern auch dem Schuldenabbau und einer aktiven Wirtschaftsförderung vorantreiben will. Dazu hat er die Hessen-Agentur und die Wetterauer Wirtschaftsförderung kontaktiert. Zudem sieht er sich vor allem als strategischer Berater und Kontakteknüpfer. Etwa im Aufsichtsrat der Bad Vilbeler Firma Alea Hoch- und Industriebau, wo ihm seine Arbeit „tierisch viel Spaß“ mache, Grundstückseigentümer und Projektentwickler im Rhein-Main-Gebiet zusammenzubringen. Bei der Internet-Plattform PSG, wo Marken wie Bosch, Daimler oder Henkel ihre Einkäufe bündeln lassen. Oder bei der European Business School, einer Privat-Uni, die er mit der Europäischen Schule in Bad Vilbel zusammenbringen will.
Die Zahl 60, „die ist eigentlich vollkommen egal“, meint er – eher eine Wegmarke, Zeit zum Nachdenken, „wie positionierst du dich, was hast du richtig oder falsch gemacht?“ Hahn räumt ein, seine Ministerjahre (2009 – 2014) seien „ohne Frage anstrengend, auch eine körperlich fordernde, die Familie fast zerbrechende Zeit“.
Das soll sich ändern, „ich habe meine politischen Ziele erreicht“, so Hahn. Nun möchte er sich mehr Zeit für Familie, Reisen, Tennis-spielen nehmen. Auf die Frage nach seinem Lebensmotto erinnert er sich an rheinische Kinderjahre: „Et kütt wie et kütt“ und als Aufruf zur Toleranz: „Jeder Jeck ist anders“. Den 60. Geburtstag feiert er mit der Familie auf Mallorca. Das hätte erst im Herbst angestanden, „aber da heiratet unser ältester Sohn“.
Eine glänzende Laufbahn
Jörg-Uwe Hahn wurde am 21. September 1956 in Kassel geboren. Im Landtag sitzt er seit 1987, in der Stadtverordnetenversammlung als FDP-Fraktionschef seit 2011. 2009 bis 2014 war er Hessischer Minister für Justiz, Integration und Europa, sowie Vize-Ministerpräsident unter Volker Bouffier. Im Wetterauer Kreistag war er von 1977 bis 1989 und wieder seit 2016. Von 2002 bis 2013 war er auch Mitglied im Bundesvorstand der FDP, sowie von 2005 bis 2014 hessischer FDP-Landesvorsitzender. (dd)