Wenn Wetterauer Poeten auf die Bühne treten, rührt das an den Emotionen. Am Wo-chenende wurde die erste Kreismeisterschaft im Poetry Slam ausgetragen – elf Künstler machten den Anfang.
Karben. „Wer würde es verstehen, sehen – wird es doch niemand, wie es ihm wirklich geht?“ Voller Emotionen trägt Kim-Anh Schäfer die Geschichte eines homosexuellen Jungen vor, spricht über seine Ängste, aber auch die Ängste und Sorgen seiner Eltern, seiner Umwelt, der Gesellschaft. „Am Ende“, sagt die 17-Jährige mit leiser Stimme, „herrscht doch die sprachlos-eloquente Stille“.
Kim-Anh macht an diesem Abend den Auftakt der Wetterauer Kreismeisterschaften im Poetry Slam. In einem literarischen Wettstreit also, in dem Künstler ihre selbst verfassten Gedichte oder Geschichten vortragen.
Nervös auf die Bühne
Dass die Schülerin mit zitternden Fingern auf die Bühne geht, ist kein Wunder. „Ein wenig nervös war ich schon“, erklärt sie nach ihrem Auftritt. Immerhin hat sie ihr selbst verfasstes Werk nicht nur vor gut 100 Zuschauern vorgetragen, auch folgte auf ihren Auftritt starke Konkurrenz: Elf Poeten sind in der Kreismeisterschaft am Donnerstagabend in Karben, elf weitere am Freitag in Reichelsheim gegeneinander angetreten. Die acht Besten durften am Samstag in Einzelduellen um den Kreismeister-Titel kämpfen, der Eintritt zur Teilnahme am Hessen-Entscheid.
Wenn Barbara Roherwasser auf die Bühne steigt, wird das Publikum still. Anklagend führt sie mit satirischen Zeilen das politische Programm der „Alternative für Deutschland“ vor. Das Karbener Publikum applaudiert für ihren Vortrag zur Doppelmoral – und gibt das erste Mal an diesem Abend zehn Punkte, die Höchstwertung. „Daran gibt es gar nichts zu rütteln“, ist sich der Tisch in der Ecke des „Kuhteliers“ nach kurzer Diskussion sicher. Auf dem in die Höhe gehaltenen Block steht in großen Ziffern die 10.
Beim Poetry Slam, das ist das Besondere, wird das Publikum zur Jury. „Dabei soll es aber nur darum gehen, wie sehr Sie ein Text bewegt hat“, erklärt Moderator und Organisator Dominik Rinkart (23) den Zuschauern. „Äußerlichkeiten, ob jemand abgelesen hat, nervös ist oder still auf der Bühne steht, das spielt alles keine Rolle.“ Es dreht sich alles um die Worte an diesem Abend – ganz gleich, ob der Wunsch nach mehr Zeit, die Flüchtlingspolitik oder gar ein sensibles Thema wie die Religionsfreiheit poetisch abgearbeitet wird.
Organisator Andreas Arnold (40) und Rinkart führen durch die Kreismeisterschaft.