Bad Vilbel. „Man kann fast ohne Technik leben, fast wie in der Steinzeit – deshalb ist meine Mutter auch steinalt“. Eine originelle Erklärung hält da der 72-jährige Christoph Walossek bereit, wenn er auf das hohe Alter seiner Mutter Elisabeth zu sprechen kommt. Sie, die Pfarrersfrau, habe nämlich fast ohne Technik gelebt. Heute muss Elisabeth Walossek mit solchen einst selbst erwählten Einschränkungen nicht mehr leben. Sie wird liebevoll im Altenheim auf dem Heilsberg umsorgt und konnte in einer guten physischen Verfassung ihren 101. Geburtstag feiern. Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr gab sich höchstpersönlich die Ehre, der „steinalten“ Dame zu ihrem großen Geburtstag zu gratulieren.
Ihr selbst fällt es jetzt schwer, sich über ihr langes Leben zu unterhalten. Diese Rolle übernahm Sohn Christoph, der die Mutter eineinhalb Jahre lang gepflegt hat, bevor die Wahlfrankfurterin im Jahr 2002 auf dem Heilsberg aufgenommen wurde. Der 72-Jährige weiß deshalb, wovon er redet, wenn er auf die Steinzeit zu sprechen kommt. Aber der Reihe nach.
Elisabeth Walossek ist am 14. November 1905 in Siebeneichen in Nieder-Schlesien geboren. 1927 heiratete sie den Pfarrer und Religionslehrer Gerhard Walossek. Im März 1945 musste sie vor den Russen fliehen. Die Stationen waren München, der Kreis Fulda und schließlich Frankfurt am Main. Dort, in der Nähe des Bethmannparks, hat sie seit 1954 gelebt. Der 1900 geborene Ehemann starb 1982. Die beiden Söhne von Elisabeth schenkten ihr fünf Enkel. Urenkel aber, so bedauert Sohn Christoph, seien nicht in Sicht.
Die Jubilarin war ganz offensichtlich eine Verächterin moderner Technik. Auf Bügeleisen, Staubsauger und Kühlschrank mochte sie zwar nicht verzichten. Aber eine Nähmaschine hat sie sich nach der Flucht nicht wieder angeschafft. Die Wäsche wusch sie selbst bis auf die großen Stücke, die ihr im Waschsalon meist aus Mitleid gratis gewaschen wurden. Sie stellte sich dort immer betont ungeschickt an. Und – man horche auf und staune – die Dame hat nie ein Fernsehgerät besessen, auch kein Radio, legte dennoch Wert darauf, über das Weltgeschehen informiert zu sein. Dazu las sie täglich mindestens zwei Stunden lang Zeitung.
Christoph wurde Gymnasiallehrer mit der Fächerkombination von evangelischer Religion und Biologie. Sein Bruder war bei der Post und nötigte der Witwe dereinst ein Telefon auf. Christoph versichert: „Sie hat niemals selbst eine Nummer gewählt. Wirklich niemals“. Das „Steinzeitleben“ hat der 1996 pensionierte Christoph während der Pflege seiner Mutter miterlebt. (hgm)