Saubere Energie fließt ab Mai von den Windparks in der Nordsee über das Umspannwerk in Karben bis nach Süddeutschland. Der Transformator des Umspannwerks versorgt künftig 438 000 Haushalte mit Strom.
Karben. Die Wetterau ist eine wichtige Schaltstelle, wenn es um eine sichere Stromversorgung geht. Im Zuge der Energiewende werden die Übertragungsnetze ausgebaut, damit die Verbraucher auch dann auf ein stabiles Stromnetz zurückgreifen können, wenn der Strom im Netz aus unterschiedlichen Energiequellen mit schwankenden Leistungen wie Windrädern oder Solaranlagen kommt.
Blindleistungs-Kompensationsanlagen (Kondensatoren) wie die im Umspannwerk (UW) Karben sorgen bei nicht stabilem Stromfluss im Netz für eine Spannungserhöhung, um den Strom im stabilen Bereich zu halten. Mit Hilfe dieser Kompensationsanlagen ist es möglich, innerhalb von Sekunden auf Spannungsschwankungen zu reagieren.
Die in Karben tätige niederländische TenneT TSO GmbH gehört mit rund 21 000 Kilometern an Hoch- und Höchstspannungsleitungen, zwölf UW und 41 Millionen Endverbrauchern in Holland und in Deutschland zu den fünf größten Betreibern von Energieversorgungsnetzen in Europa.
Auf der Nord-Süd-Achse soll sich der Stromfluss in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf etwa sieben Gigawatt verdoppeln. Damit die Integration erneuerbarer Energien ins Stromnetz reibungslos verläuft, investiert das Unternehmen in das UW Karben 20,5 Millionen Euro. Die Anlage ist eine zentrale Verteilstelle im Netz. Sie leitet sicher riesige Mengen Höchstspannungsstrom (220 und 380 Kilovolt (kV) über Freileitungen verlustarm aus den Windparks in der Nordsee bis nach Süddeutschland. Zusätzlich versorgt der Transformator – rein rechnerisch – künftig 438 000 Haushalte in der Region mit sauberem Strom. „Wir haben mit Anlagen dieser Art wie in Karben seit 1975 Erfahrung. Die Technologie ist bewährt. Die „Haltbarkeit“ des UW ist mit 50 Jahren veranschlagt, die des Transformators mit 60 Jahren, die der Schaltanlage mit 50 Jahren und das Gelände mit 80 Jahren“, informiert Hauptprojektleiter Michael Gerfen. Die vorbereitenden Maßnahmen wie Baugrunduntersuchungen und Erdarbeiten startete im UW Karben im Frühjahr 2013. Der Baubeginn war im März/April 2014. Seither sind zwischen 20 und 40 Mitarbeiter mit dem Ausbau, dem Bau einer neuen Hybrid-Schaltanlage und eines Kupplungsfeldes beschäftigt. „Die Anlage ist fast fertig. Zurzeit ist sie spannungsfrei. Das bedeutet, dass die sechs Stromautobahnen am Netzknotenpunkt UW Karben vorbeigeführt werden“, erläutert Gerfen. „Der statische Netzzustand im Gebiet bedeutet eine massive Einschränkung für den Betreiber, da an allen Leitungen nicht gearbeitet werden kann“, informiert Herbert Blumenstein. Der Leiter der Servicegruppe Nordwest ist zuständig für vier Servicestandorte in Hessen. In das UW Karben werden sechs Leitungen, je zwei vom UW Großkrotzenburg, vom UW Gießen Nord und vom UW Frankfurt Süd-West, ein- und ausgeführt. Die stufenweise Inbetriebnahme ab Anfang Mai beinhaltet die Einführung von zwei Leitungssystemen und den Anschluss des Transformators (schaltet Strom von 380 kV auf 110 kV herunter), der das Mainova-Gebiet mit Strom versorgt. Nach und nach gehen die anderen vier Leitungen ans Netz. „Zu den Besonderheiten der Anlage gehören gasisolierte Schaltanlagen. Bei ihnen sind Spannungsteile von einem Isoliermedium umgeben, das eine sehr hohe Spannungsfähigkeit gegenüber der Luft aufweist. „Vor Blitzeinschlag gesichert sind alle Stahlgerüste mit Erdnetzen, alle höherliegenden Leitungen mit Blitzschutzspitzen oder Blitzschutzmasten“, informiert Thomas Parchmann, der für die Anlage in Karben verantwortlich ist. Zu den Ausgleichsmaßnahmen gehören Anpflanzungen von Büschen und Bäumen rund ums Gelände und in Richtung Rendel sowie die Anlage von Rebhuhnflächen.