Karben. „Ach, Mist.“ Die Seitentasche hat sich in der Aufhängung am Sattel verfangen. Also muss Tina Rodriguez erst ein wenig zerren, bevor sie die Tasche freibekommt. Dann noch das Schloss ums Vorderrad und den Fahrradständer gelegt. Abschließen. Fertig. Der Arbeitstag kann beginnen.
Im Rathaus arbeitet Tina Rodriguez an ein bis zwei Tagen pro Woche, ehrenamtlich. Sie gehört zum politischen Spitzenpersonal: Seit Mai ist die Rendelerin Mitglied der Stadtregierung. Dorthin haben sie die Grünen gesendet, noch bevor sie Parteimitglied war. „Der Mitgliedsantrag war noch nicht durch“, erinnert sie sich.
Nach ihren Erfolgen bei der Kommunalwahl suchten die Grünen Personal. „Ich suchte schon eine Weile nach einer Möglichkeit, mich ehrenamtlich zu engagieren und der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, berichtet Rodriguez. „Da dachte ich mir: Vielleicht können dich ja die Grünen gebrauchen.“
Konnten sie und machten sie zur Stadträtin. Dort bindet Bürgermeister Guido Rahn (CDU) alle ehrenamtlichen Stadträte ins Tagesgeschäft ein. So ist Rodriguez nun für die Online-Tätigkeiten der Stadt und den Klimaschutz zuständig. Ersteres ist schon sichtbar: Rodriguez kümmerte sich in der finalen Phase vor der Veröffentlichung um die neue Internetseite der Stadt. Mit ihrem beruflichen Wissen ist die Rendelerin dafür prädestiniert: Die Betriebswirtin befasste sich lange Jahre für große Konzerne mit digitalem Musikvertrieb. Inzwischen berät sie die Firmen, arbeitet als Freiberuflerin daheim. So hat sie ein wenig mehr Zeit für die Familie, die Tochter (4) und ihren Mann. 2008 zog die Familie von Nieder-Erlenbach nach Rendel. Die Nachbarschaft habe sie sehr positiv aufgenommen. „Hier habe ich seit langem ’mal wieder das Gefühl, zuhause zu sein.“ Abgesehen vom Rad fahren hält sich Tina Rodriguez mit Laufen fit.
Demnächst wird die Zeit dafür knapper. Sie nimmt sich ihr zweites Thema vor: Klimaschutz. Ihren Stadtratskollegen legte sie unlängst einen Ideenkatalog vor, was die Stadt machen kann. „Derzeit diskutieren wir darüber.“
Die Zusammenarbeit im Magistrat schätzt die Quereinsteigerin. „Dort herrscht eine gute Gesprächskultur, zum Streiten ist ja die Stadtverordnetenversammlung da.“ Auch mit Kollege Michael Ottens (FW)? „Es braucht einfach des Teufels General“, sagt sie und lächelt. „Eine kritische Stimme ist in jedem Team wertvoll.“ Zugegeben sei das politische Klima „historisch belastet“. Doch Rodriguez sieht bei allen Parteien guten Willen. Bürgermeister Rahn, findet sie, gehe mit seiner Politik intensiver Information voran.
Dass sich ausgerechnet eine Regierung aus CDU, FW und FDP Klimaschutz auf ihre Fahnen schreibt – ist das nicht grüner Ideen-Klau? „Nein, es geht um die Sache, und wir Grüne können es mit langjähriger Erfahrung unterstützen.“ Wenn die Regierung das aus Spar-gründen vorantreibe, sei das gut. Dass etwas wirtschaftlich nachhaltig sei, darauf zielten die meisten Klimaschutzprojekte.
Derart pragmatisches Vorgehen scheint zum Markenzeichen grüner Politik in Karben zu werden. Alle Realos? „Das ist so ein abgenutztes Wort“, wehrt sich Tina Rodriguez. Der Zustimmung zu Projekten gehe ein ausführliches Durcharbeiten voraus. „Die Biogasanlage zu befürworten ist beispielsweise nicht einfach“, räumt sie ein, weil sich etwa die Naturschutzverbände dagegen sträubten. Mit denen spreche die Partei oft und viel, sei aber nicht „ihr Büttel“. Lieber bilde sie sich ihre Meinung rational. „Entgegen dem historischen Bild der Grünen“, räumt Tina Rodriguez ein.
Mit der Historie der Grünen in Karben wird die Stadträtin immer wieder konfrontiert. Sie hatten bis 2006 mit der SPD koaliert. Ihr Stadtrat Gerd Rippen gab in seinen Amtsjahren bis 2010 nicht immer ein glückliches Bild ab. „Es wird noch eine Menge Arbeit kosten“, schätzt Rodriguez, „um darzustellen, dass sich die Grünen sehr geändert haben.“ (den)