Isang Enders gastierte am Samstag in der St. Michaelis-Kirche Klein-Karben. Auf dem Programm standen Solo-Suiten für Cello von Johann Sebastian Bach.
Karben. Man muss nicht wissen, was es mit den sechs Suiten für Violoncello solo auf sich hat, die Johann Sebastian Bach 35-jährig im Jahr 1720 am Köthener Hof komponiert hat. Es klingt auch eher harmlos, wenn man den Aufbau dieser Suiten liest: Allemande, Courante, Sarabande und Gigue sind die Sätze überschrieben, jeweils ergänzt um ein Prélude, Menuette oder Gavotten.
Barocke Tanzmusik steht zu vermuten. Am Samstagabend wurden sie in der Konzertreihe des Förderkreises „Musik in der Kirche“ in Sankt Michaelis aufgeführt. Die Suiten eins, zwei, vier und sechs spielte ein begabter junger Mann, ein gebürtiger Frankfurter, der schon längst internationale Erfolge erzielt hat. Der in eine deutsch-koreanische Musikerfamilie geborene Isang Enders hat zudem Aufsehen erregt mit seinem Engagement als Konzertmeister für Violoncello an der Dresdner Staatskapelle ab dem Jahr 2008.
Spätestens nach dem Prélude der ersten Suite konnte dem Publikum, das die Kirche füllte, klar werden, was hier vor sich ging. Diese Suiten gelten als „oberster Prüfstein für jeden Cellisten und Quintessenz von Bachs Werk“, so der junge Künstler. Bach soll sie komponiert haben, um die musikalischen Möglichkeiten des damals gerade erfundenen Cellos auszuloten.
Dabei hat der Meister nach Expertenmeinung „latente Polyphonie“ geschaffen und technisch „das bei weitem Anspruchsvollste, was das Akkordspiel betrifft“. „Die Akkorde verlangen teilweise ungewöhnliche, sonst in der Celloliteratur nicht anzutreffende Grifftechniken, zumal sie heutzutage auf Instrumenten mit vier Saiten und nicht wie einst mit fünf zu spielen sind“ – heißt es in einem Lexikonbeitrag von Wikipedia. Insbesondere die sechste und letzte Suite sei schon auf einem fünfsaitigen Cello eine technische Herausforderung, „auf einem modernen Violoncello jedoch durch sehr hohes Lagenspiel über längere Passagen nur schwer zu realisieren“.
Isang Enders hat sich im ganzen vorigen Jahr die Bach-Suiten angeeignet und spielte die vier „hellen“ Tanzfolgen im zweistündigen Marathon auswendig und ließ sich auch in seiner Konzentration kaum durch den zeitweiligen Ausfall der Scheinwerfer irritieren. Seine Gedächtnisleistung und unglaubliche technische Beherrschung des Instruments wurde mit stehenden Ovationen quittiert. Enders erläuterte auf Befragen, wie er sich diese hochkomplizierte, Musik einzuprägen vermag: „Ich merke mir Griffe und Harmonien und stelle mir bei der Entwicklung der Musik eine Geschichte vor“, sagt er und nutzt somit eine Methode, mit der Gedächtniskünstler ihre Künste vollbringen. Das ist wohl die richtige Methode, sich ein solch kompliziertes Werk anzueignen. (hgm)