Die Stadt muss sich nach einem neuen Vizebürgermeister umschauen. Denn Erster Stadtrat Otmar Stein (CDU) verkündet seinen Rücktritt. Der kommt überraschend – und für den 76-Jährigen nicht ganz freiwillig.
Karben. Als die CDU Anfang März in Karben ihren fulminanten Doppelsieg bei Kommunal- und Bürgermeisterwahl einfuhr, deutete nichts darauf hin. Wenn gewünscht, wolle er weiter als Erster Stadtrat zur Verfügung stehen, hatte Otmar Stein (76) demütig erklärt. Nach den Siegen stand es für seine Partei außer Frage, dass der Senior als Vizebürgermeister weitermachen sollte.
Seit mehr als fünf Jahren hatte er dieses Ehrenamt inne. Mit Stein und ebenso mit Michael Ottens (FW) ist das Karbener Modell verknüpft: Überaus agile Ruheständler leisten im Magistrat das, was zuvor unter Rot-Grün zwei hauptamtliche Stadträte machten.
Während es Michael Ottens zurück in den parlamentarischen Gefechtslärm zog, blieb Otmar Stein auf dem Regierungsposten. Voller Tatendrang schaute er auf die nächsten fünf Jahre voraus. Weiter war er an fünf Tagen pro Woche im Rathaus, von früh bis nachmittags. Bloß die Zuständigkeit für den Eigenbetrieb Kommunales Immobilienmanagement (Kim) gab er ab. Ein Zugeständnis an sein Alter.
Das aber genügte offenkundig nicht. „Es hat sich gesundheitlich einiges geändert bei mir“, sagt Stein so typisch zurückhaltend. Schwer erkrankt war er, wurde operiert, lag über einen Monat lang in der Klinik und der Reha. Vor zehn Jahren war er schon einmal am Herzen operiert worden.
Nicht mehr stark genug
Nach dem neuerlichen Warnschuss tritt Otmar Stein nun auf die Bremse: „Auf Anraten meines Arztes werde ich kürzer treten.“ Deshalb trete er als Erster Stadtrat zurück und gebe seine verbliebenen Zuständigkeiten für die Wirtschaftsförderung und die städtische Wohnungsbaugesellschaft ab.
Leicht fällt der Schritt dem ehrenamtlichen Politiker nicht. „Ich fühle mich eigentlich ganz gut“, erklärt er, „aber nicht mehr stark genug, um meine Aufgaben so zu erfüllen, wie ich es mir vorstelle.“
Otmar Stein ist das Urgestein unter den aktiven Politikern in Karben: Seit 1981 gehört er durchgehend als ehrenamtlicher Stadtrat den diversen Stadtregierungen an, von Paul Schönfeld über Detlev Engel und Roland Schulz (SPD) bis zu Guido Rahn (CDU).
„Die vergangenen sechs Jahre waren die schönste Zeit“, sagt Stein. Dass die ehrenamtlichen Stadträte intensiv eingebunden sind mit eigenen, wichtigen Dezernaten, das habe es früher nicht gegeben. Doch war er vom politischen Gegner teils massiv und unfair angegangen worden. „Das muss man in einer solchen Position aushalten“, kommentiert der Angegriffene trocken.
Seriös, ehrlich, integer – in höchsten Tönen lobt Bürgermeister Rahn seinen scheidenden Vize: „Sein Verhandlungsgeschick ist beeindruckend.“ Stein habe selbst dort Erfolge erzielt, wo er, Rahn, dies als aussichtslos angesehen hätte. Millionen habe der Stadt Steins Grundstücksdeal mit Dreiecksgrundstück und Taunusbrunnen eingebracht, erinnert der Bürgermeister. Die Sanierung des Degenfeldschen Schlosses habe Stein ermöglicht, den Dorfladen Okarben, die Sanierung des Bahnhofsgebäudes, die Verlagerung des Schafstalls aus dem Gewerbegebiet.
Weiter ohne Dezernat
Seine Arbeit als Vize-Aufsichtsratschef beim Karbener Büromöbelhersteller König+Neurath werde er weiterführen, kündigt Stein an. Jahrzehntelang hatte er für den Familienbetrieb gearbeitet, zuletzt lange Zeit als Vorstand.
In seiner Regierung will Rahn weiter ohne hauptamtliche Stadträte auskommen. Es gebe eine „gute zweite Reihe“ von Fachbereichsleitern, die die Sacharbeit sicherstellten. Auch die übrigen sechs ehrenamtlichen Stadträte engagierten sich – wobei Rahn Sebastian Wollny und Friedrich Schwaab (CDU), Mario Schäfer (Grüne) und Rosemarie Plewe (FW) hervorhebt. Wer von ihnen neuer Erster Stadtrat wird, darüber solle erst die CDU-Fraktion beraten, so Rahn.
Ganz auf Steins Sachverstand und Verhandlungsgeschick muss Karben aber nicht verzichten. Der Bürgermeister hat den Senior überreden können, als Stadtrat ohne Dezernat weiterzumachen. „Ich unterstütze Guido Rahn weiter mit meinen Kontakten zu Unternehmen und engagiere mich weiter bei den Projekten, die ich gut kenne“, sagt Stein. „Aber ich bin heraus aus dem Tagesgeschäft.“
Nicht sofort auf Null abzubremsen, sei vielleicht sogar ganz gut. Aber er müsse deutlich weniger machen, darum komme er mit Blick auf seine Gesundheit einfach nicht herum. „Die Zeit, die man hat, ist einfach begrenzt“, sagt Stein. Und gibt zu: „Ich fühle mich jetzt ein bisschen erleichtert.“ (den)