Karben. Die Anwohner in der Elisabethenstraße in Groß-Karben sind völlig aus dem Häuschen: Das Baugebiet-Süd soll auf einem wohl zwei Meter hohen Erdsockel errichtet werden. Die Vorbereitungsarbeiten laufen seit wenigen Tagen. Investor Alfred Wess aus Flieden lässt eine Betoneinfriedung errichten, will das Gelände nun anscheinend mit Erde auffüllen – bislang ohne Genehmigung. Während das Kreisbauamt noch auf einen Bauantrag wartet, begann am Mittwoch letzter Woche ein Bagger bereits mit der Aufschüttung. Das berichtet Nachbar Ulrich Jüngst. Er will die Arbeiten nun per Gerichtsbeschluss stoppen lassen.
Jüngst und die anderen Nachbarn sind empört: „Wenn die Gebäude auch noch auf zwei Meter höherem Grund stehen, werden die ja noch höher.“ Er selbst nämlich, erinnert sich Jüngst, habe das Gelände rund um sein Haus auf das Niveau der Umgebung absenken müssen. „Es kann doch nicht sein, dass er darf, was die anderen nicht durften.“ Investor Wess will offenbar das natürliche Gefälle des Geländes von der Elisabethenstraße Richtung Bahnhofstraße umkehren. „Wir sind ja nicht gegen eine Bebauung“, sagt Nachbar Kai Grunenberg. „Aber so, dass wir damit leben können.“
In der Elisabethenstraße ließ sich nun Investor Wess blicken. Die Nachbarn sprachen ihn sofort an. „Wir machen gewisse Vorbereitungen“, erklärt er. „Die Erschließung ist schließlich Voraussetzung für die Bebauung.“ Wess möchte fünf Doppelhäuser auf dem L-förmigen ehemaligen Grundstück der Gärtnerei Dietz bauen. Nach Protesten der Nachbarn hatte er auf ein zusätzliches Dreifamilienhaus verzichtet.
Nach diesen Zugeständnissen haben die Karbener Parlamentarier im Mai wohl einen zu ungenauen Bebauungsplan abgesegnet. Darin sei eine Auffüllung des Geländes nicht ausgeschlossen, erläutert die Sprecherin des Kreisbauamts, Petra Schnelzer. Dort müssen alle Bauanträge genehmigt werden.
Das Amt schaute sich sofort auf Hinweise der Nachbarn und der Stadt vor Ort den Stand der Arbeiten an und verglich diese mit dem Bebauungsplan. Ergebnis: Bislang scheint alles rechtens. „Die Stützmauer ist mit einer Höhe von bis zu 1,50 Meter als Einfriedung genehmigungsfrei, eine Auffüllung darf er aber nicht einfach so vornehmen“, sagt die Amtssprecherin. Was nicht heißt, dass es nicht vielleicht doch zulässig ist: „Eine Auffüllung ist vom Bebauungsplan zumindest nicht ausgeschlossen.“ Weil aber noch nichts vom Bauherrn vorliege, warte das Amt nun erstmal ab: „Auf die Bauanzeige.“ Danach werde entschieden, ob für die Auffüllung ein Bauantrag nötig ist. Also freie Bahn für Investor Wess, damit er erstmal Fakten schaffen kann? „Das betrifft nur Nachbarschaftsprobleme, keine planungsrechtlichen“, sagt Petra Schnelzer. Das Risiko des Frühstarts trage aber der Investor selbst: Wenn nach der Genehmigung das Gebaute vor Ort über das Genehmigte hinaus gehe, „müsste man sehen, was zurückgebaut werden muss“.
Von dieser Auslegung des Bebauungsplans fühlt sich Karbens Politik überrumpelt. „Ich war davon ausgegangen, dass ab Geländehöhe gebaut werden soll“, sagt Stadtbaurat Gerd Rippen (Grüne). Es sei im Interesse der Stadt, dass das Gelände auf dem Niveau der Umgebung bebaut werde – schon um Unfrieden unter den Nachbarn zu verhindern. „Die Leute, die da hinziehen, haben jahrelang Trouble damit“, fürchtet auch Rippens ehrenamtlicher Stadtratskollege Gerd Hermanns (FWG).
Die Nachbarn haben nun große Sorgen. Ulrich Jüngst zum Beispiel fürchtet, dass ihm der Druck der Erdmassen eine Mauer und einen Schuppen kaputt drücken, die direkt an das Grundstück grenzen. „So knapp wie möglich“, solle die Aufschüttung erfolgen, sagt Investor Wess. „Das wird nicht mehr, als zulässig ist.“ Und: „Die Ausführung war in der Höhe von Anfang an geplant“, sagt Wess. „Ich verstehe nicht, dass das so dasteht, dass es nicht bekannt wäre.“ Kopfschütteln bei Stadtrat Hermanns: „In den Unterlagen stand nichts darüber.“
Die fehlende Definition der Geländehöhe scheint nicht das einzige Manko im Bebauungsplan zu sein: Auch sei nicht klar, worauf sich die maximale Firsthöhe für die Häuser von elf Metern beziehe, erläutert Kreisbauamts-Sprecherin Schnelzer. Dort sei von einer „Erschließungsstraße“ die Rede. „Wir wissen nicht, ob sich das auf die Elisabethenstraße oder auf die Zufahrtsstraße auf dem Grundstück bezieht.“ (den)