Karben. Wenn Pfarrer Werner Giesler aus dem Fenster seines Besprechungszimmers schaut, blickt er durch die kahlen Zweige eines mächtigen Kastanienbaumes hindurch auf die weißgetünchte Sankt Michaelis-Kirche mit ihren roten Backsteinpfeilern. Seit fünfundzwanzig Jahren erlebt Pfarrer Giesler so den Wechsel der Jahreszeiten, sieht im Frühling den Baum knospen. So wie der Baum in den 25 Jahren gewachsen und seine Wurzeln tiefer ins Erdreich versenkt hat, ist auch Pfarrer Giesler in sein Amt hineingewachsen, hat Wurzeln gefasst.
„Ich weiß noch, wie Werner Giesler als junger Mann vor 25 Jahren nach Klein-Karben kam, mit Frau und kleinem Sohn“, sagt Rainer Züsch, der damals wie heute Mitglied im Kirchenvorstand ist. Die Pfarrstelle war vakant, die Gemeinde suchte einen neuen Pfarrer und nahm den Vikar mit offenen Armen auf. „Jawohl, den wollen wir haben“, beschied der Kirchenvorstand und steht zu dieser Entscheidung bis heute. Als vor zwei Jahren Pfarrer Giesler entsprechend dem Kirchenrecht „bilanziert“ und im Amt bestätigt werden musste, weil er länger als zehn Jahre in Klein-Karben war, widerholte der Kirchenvorstand einstimmig die Entscheidung. „Jawohl, den wollen wir behalten.“
„Er ist ein guter Seelsorger, Ratgeber und Zuhörer, hat sich das Vertrauen der Klein-Kärber erworben und auch einen Draht zu unseren Jugendlichen“, erklärt Züsch. Als Werner Giesler am 1. Januar 1986 sein Amt in Klein-Karben antrat und am 19. Januar als Vikar zur Anstellung im Pfarrdienst ordiniert wurde, wollte er noch nach drei Jahren wechseln. Doch es kam anders. „Ich wurde hier sehr gut aufgenommen, die Gemeinde war offen und neugierig und ließ mich experimentieren“, sagt Giesler.
Experimentieren hieß, dass der junge Vikar Neues wagte. So führte er die Osternacht ein, mit Osterfeuer auf dem Parkplatz am Günther-Reutzel-Platz und anschließendem Osterfrühstück im Gemeindehaus.
Er hielt verstärkt Familiengottesdienste, und auch dem „Kinderfriedenstag“ war ein anhaltender Erfolg beschieden. „Ich kam aus der kirchlichen Friedensbewegung“, erklärt Giesler, und so ist es ihm bis heute ein Anliegen, dass im November ein Gottesdienst zu dem Thema Frieden in der Welt stattfindet. Er öffnete auch die Kirche für die Kammermusikreihe „Konzerte in der Kirche“, zu der seine Frau Ute vor 20 Jahren den Anstoß gab.
Pfarrer Giesler engagierte sich in dem ersten sozialen Arbeitskreis der jungen Stadt Karben, brachte die Schulsozialarbeit auf den Weg und mehr Hilfe für kranke und pflegebedürftige Menschen.
So erfolgte 1991 die Gründung des Diakonievereines für Haus- und Altenpflege in Karben gemeinsam mit der evangelischen Gemeinde Groß-Karben. Auch der ASB wurde darin bestärkt, seine Pflege in Karben auszubauen.
„Als ich vor 25 Jahren nach Karben kam, war Klein-Karben noch als erweitertes Dorf mit intakter Nachbarschaft zu erkennen. Aber der soziale Zusammenhalt ist schwächer geworden“, sagt Giesler und sieht sich als Seelsorger mehr denn je gefragt. „Viele Menschen kommen nicht mit dem Leben klar, sie haben Ehe- und Familienprobleme, sind einsam und krank“, erklärt er und hat für jeden ein offenes Ohr, der um ein Gespräch bittet – unabhängig von Konfession, Glaube und Herkunft. „Meine Aufgabe als Pfarrer ist es nicht zu missionieren, sondern Menschen zu begleiten“, sagt Giesler und sieht sich als jemanden, der Glauben lebt und damit ein Vorbild sein kann. Auch und gerade für Jugendliche, die Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen müssen. So ist es für Giesler selbstverständlich, dass er seine Konfirmanden nicht kontrolliert, ob und wie oft sie in den Gottesdienst kommen. „Mir ist es viel wichtiger, dass sie zu geraden und klaren Menschen aufwachsen.“ „Wir sind eine lebendige Gemeinde mit 90 ehrenamtlichen Mitarbeitern, vielen Kreisen und Aktivitäten“, sagt Giesler und hat nicht vor, Klein-Karben den Rücken zuzudrehen. Er weiß, dass ihn seine Gemeinde auch die nächsten zehn Jahre als Seelsorger brauchen wird. Karben ist für ihn und seine Familie zur Heimat geworden.