Der Büromöbelhersteller König+ Neurath zieht sich auf seinen Stammsitz in Karben zurück. Das Familienunternehmen kündigte am letzten Donnerstag an, das Werk in Thüringen zu schließen.
Karben. Donnerstag, elf Uhr, 273 Straßenkilometer von Karben entfernt. Die 130 Mitarbeiter von König+Neurath im thüringischen Ort Weißensee nördlich von Erfurt sind kurzfristig zur Betriebsversammlung gerufen worden.
Die Geschäftsleitung hat für die Beschäftigten eine Nachricht aus der Firmenzentrale zu übermitteln. Die hat es in sich: Zum Juni 2014 soll das Werk des Büromöbelherstellers geschlossen werden. Seine Produktion will das Familienunternehmen auf den Stammsitz in Karben konzentrieren.
„Schockiert“ habe die Belegschaft darauf reagiert, erklärte Henry Kaps, Betriebsrat des Weißenseer Standortes, kurz danach der Thüringer Allgemeinen. „Wir arbeiten länger, verdienen weniger als die Kollegen im Westen und haben neueste Technik. Warum schließt man unser Werk?“
Gute drei Stunden später erläutert Firmeninhaber Egon König den Schritt per Presseerklärung: „Da wir marktorientiert und wettbewerbsfähig produzieren wollen und müssen, ist diese Anpassung unumgänglich, um unser Unternehmen langfristig erfolgreich aufzustellen.“ K+N habe in den vergangenen Jahren „alles getan“, um die Arbeitsplätze zu sichern. „Entsprechend fällt uns dieser Schritt sehr schwer“, sagt der Patriarch.
Für den Standort Karben hat die Entscheidung ebenfalls Folgen: Hier sollen Jobs hinzukommen – wenngleich nicht so viele wie in Thüringen wegfallen. Die Zahl der Beschäftigten in den Werkshallen im Industriegebiet Klein-Karben wird nach FNP-Informationen aus Unternehmenskreisen von derzeit 870 auf rund 950 ansteigen. Firmensprecherin Martina Zurwehme mag das weder bestätigen noch dementieren: „Darüber wird noch mit dem Betriebsrat verhandelt.“
Mitarbeitern aus Thüringen solle der Wechsel an den Stammsitz angeboten werden, kündigt Martina Zurwehme an. Denn einige Beschäftigte seien vor 22 Jahren zum Aufbau des Betriebs von Karben dorthin gezogen, hätten aber bis heute ihre Familie in der Wetterau. „Es würde uns freuen, wenn sie wieder zu uns zurückwechseln.“
Vom Markt getrieben
Angesichts der überraschenden Entscheidung ist aber auch am Stammsitz in Karben die Unruhe groß. Wie geht es dem Unternehmen, dass es sich von einem ganzen Werk trennen muss? „Wir liegen auf Branchendurchschnitt“, beruhigt Sprecherin Zurwehme, und dem Unternehmen gehe es gut. Allerdings habe sich der Büromöbelmarkt in den vergangenen Jahren stark verändert: „Das Potenzial ist nicht mehr so groß wie früher.“ Weil die Unternehmen weniger Einrichtungen neu anschafften, stagniere die Branche seit inzwischen drei bis vier Jahren. „Und wir haben immer kürzere Produktzyklen“, erklärt Zurwehme.
Mit einem breiten Portfolio und modernen Fertigungstechnologien habe sich K+N „im dynamischen Marktumfeld erfolgreich weiterentwickelt“, meint Vorstandschef Carl-Christoph Held. „Der heutige Markt erlaubt nur eine klare und konzentrierte Aufstellung.“
Paris statt Weißensee
Diese werde mit der Konzentration auf den Standort Karben umgesetzt, erläutert Martina Zurwehme: Im Werk Weißensee produzierten die gleichen Maschinen die gleichen Produkte. Diese Kapazitäten seien angesichts der Marktentwicklung nicht mehr nötig.
Allerdings reagiere K+N nicht allein durch Schrumpfen, unterstreicht Zurwehme: Weil das Potenzial in Deutschland „nicht mehr so wie früher“ sei, schaue die Firma über die Grenzen: „Wir setzen verstärkt auf Export.“ Erst im September eröffnete König+Neurath einen 220-Quadratmeter-Showroom in Paris. (den)