Karben/Bad Vilbel. In Würde älter werden: Das möchte die 50-jährige Karbenerin Birgid Jökel selbst einmal. Bis dahin ist dies das Motto der selbstständigen Seniorenbetreuerin. Im Kleinwagen fährt sie auf den Bad Vilbeler Heilsberg, wo Ilse Bernbeck sie bereits erwartet. Die 80-Jährige und sie wollen gemeinsam Adressen in einem Karteikartensystem ordnen. Die stark sehbehinderte Dame betreut Jökel bereits seit ihren Anfängen zur Selbstständigkeit im Jahr 2004.
Bei den Musikliebhaberinnen steht aber nicht immer Schreibarbeit auf dem Programm. „Besonders schön war ein Abend, den wir kürzlich in Frankfurt bei einem Konzert verbrachten. Wir gehen auch mal zusammen Kleider kaufen oder ins Café“, sagt Jökel.
Ganz so gesellig jedoch geht es in Jökels Arbeitsalltag nicht immer zu. „Manchmal brauche ich wirklich ein dickes Fell“, seufzt die allein lebende Mutter zweier nahezu erwachsener Söhne. Denn meistens erhalten ältere Menschen nicht nur auf eigenen Wunsch Betreuung, erklärt sie. Dann gelte es, neben einem guten Verhältnis mit den Angehörigen ein harmonisches Miteinander mit dem zu betreuenden Menschen zu etablieren. „Da stoße ich hin und wieder auch mal auf Widerstände.“ Doch Jökel nimmt es locker: „Eine gehörige Portion Humor versuche ich immer mitzubringen“, verrät die studierte Theologin.
Bis 1988 arbeitete Jökel als Gemeindereferentin in Frankfurt. Dann kamen die Kinder. Als diese schließlich zur Schule gingen, begann sie eine Tätigkeit beim Karbener Diakonieverein, dem sie auch heute noch treu ist. „Da begann meine Arbeit mit den Senioren“, erinnert sie sich. „Ich hatte schon immer Freude daran, die älteren Menschen zu begleiten.“ Also absolvierte sie entsprechende Kurse. Auch heute bildet Jökel sich weiter, schwört auf professionelle Beratung, Vorträge und Supervision.
Die Hauptaufgabe ihrer Arbeit sieht Jökel aber nicht nur darin, praktische Hilfe zu leisten, sondern die Zeit, die sie mit den Senioren verbringt, für diese positiv zu gestalten und sie zur Selbstständigkeit zu ermuntern. Ihre Kunden rekrutiert Jökel ausschließlich aus Empfehlungen.
Eine weitere Besonderheit ihrer Arbeit, berichtet Jökel, sei der Übernachtungs-Service: Eine 93-Jährige, die bei der Tochter im Haus wohnt, möchte, wenn diese verreist, nicht über Nacht alleine sein. Dann zieht Jökel bei ihr ein. Zuletzt sei sie sogar 14 Tage bei der betagten Frau gewesen. „Dann bin ich meiner Arbeit halt von dort aus nachgegangen.“
Ihr jüngster Kunde aber gehört nicht zu den Senioren: Es ist ein sechs Jahre alter Junge. „Den habe ich auf Anhieb ins Herz geschlossen. Wir können uns wunderbar unterhalten“, schwärmt Jökel.