Karben. „Uns drängt die Zeit ganz gewaltig.“ Das ist Karbens Bürgermeister Guido Rahn (CDU) anzumerken. In diesen Wochen wird sich entscheiden, ob die Nordumgehung überhaupt eine Chance erhält, dass ihr Bau im nächsten Jahr begonnen werden kann.
Die Entscheidung darüber wird in den Ministerien in Wiesbaden fallen. „Dort ist man dabei, den Haushaltsplan des Landes fürs nächste Jahr aufzustellen“, sagt Rahn. In diesen Plan muss die Umgehung hinein. Bloß: Ohne Baurecht wird das Land kaum Geld bereitstellen. „Wenn wir in den nächsten sechs Wochen nichts erreichen“, schwant Rahn, „dann dauert alles mindestens ein Jahr länger.“
Um das Baurecht zu bekommen, muss Rahn die Kläger dazu bringen, ihren Widerstand aufzugeben. Das zentrale Argument hat der Bürgermeister nun auf dem Schreibtisch: Das Gutachten, das attestiert, dass der zusätzliche Lärmschutzwall bezahl- und realisierbar ist. Ihn will die Stadt nördlich der Bebauung errichten und damit den kurzen Lärmschutzwall, den das Land plant, erheblich verlängern. Die gesamte Häuserfront entlang von Assenheimer Straße und Lindenstraße soll damit vom Lärm der künftigen Umgehung abgeschirmt werden.
Mit positiven Folgen für die Anwohner: Das Gutachten des Frankfurter Büros H.P. Gauff zeigt, dass der Extra-Wall den Lärm um weitere bis zu drei Dezibel mindert, erklärt Guido Rahn. Errechnet worden sei dies zwei Meter über Grund.
Ein Minus von drei Dezibel entspricht dem Eindruck, dass nur noch halb so viel Verkehr ist, erläutert das Umweltbundesamt. Damit könne „ungefähr eine Halbierung der Lautstärke erwartet“ werden. Diese Lärmminderung sollen die Anwohner zusätzlich erhalten. Denn die Planung des Landes sieht bereits vor, dass der Lärm in sämtlichen Bereichen am Ortsrand unterhalb der gesetzlichen Werte bleibt. Um das zu schaffen, ist in der Nordwestecke der Assenheimer Straße bereits der kurze Lärmschutzwall auf Kosten des Landes notwendig.
Zusätzlich zeigt das Gutachten auf, dass die Stadt die Verlängerung des Walls ohne Probleme mit den 200 000 Euro, die das Parlament bereitgestellt hat, bezahlen kann. „Es kommt uns sogar günstiger als erwartet“, sagt Rahn: 70 000 Euro koste der Erdwall selbst, 30 000 Euro der Ankauf der Ackerflächen. Damit bleibe genug Geld übrig, um den Wall zu bepflanzen. „Und notfalls auch, um ihn noch einen halben Meter höher zu bauen.“
Die Erkenntnisse möchte Rahn nun den Gegnern vorstellen. Doch habe er binnen zwei Wochen noch keine Antwort auf seine E-Mail erhalten, berichtet er – und vermutet sommerurlaubsbedingte Abwesenheit als Grund. Die bestätigt Axel Kreutz, der Sprecher der Initiative „Rettet die Nidda-Aue“. Allerdings lehnt er weiterhin jeden Kommentar ab, verweist auf das Verfahren.
Innerhalb der Initiative ist man nach wie vor stocksauer auf die Stadt: „Wir wurden zehn Jahre lang ignoriert und die Politiker haben nur die Befürworter hofiert“, heißt es aus der auf nur noch eine Hand voll Aktiver zusammengeschrumpften Gruppe. „Niemand hat sich die Mühe gemacht, uns einzubinden und einen Kompromiss zu finden“, auch nicht der neue Bürgermeister. Das Interesse an einer Lösung sei deshalb nicht sonderlich groß.
Anders bei Guido Rahn: Selbst wenn die Arbeiten nächstes Jahr beginnen könnten, dauere der Bau ja auch einige Jahre. Zunächst müssten Vorplanung und archäologische Gutachten erarbeitet, die Brücke über die Nidda gebaut und die Grundstücke im Zuge einer Flurbereinigung umverteilt werden. „Das alles dauert mindestens schon ein Jahr“, seufzt der Bürgermeister, „und es geht jetzt darum, dafür das Geld zu sichern.“ (den)