Eine siebenköpfige Delegation des Geschichtsvereins Karben unter Führung ihres Vorsitzenden Gerd Klein hat An- fang Februar das Rügebuch (Gerichtsprotokollbuch) des Karbener Stadtteils Burg-Gräfenrode aus dem 18. Jahrhundert wieder heimgeholt.
Karben. Fast ein Jahr lang war der im Besitze des Vereins befindliche, zirka acht Zentimeter dicke Foliant zur Erhaltung und Instandsetzung in der Restaurierungswerkstätte für kirchliche Archivalien der Abtei Sankt-Hildegard OSB (Benediktiner-Orden) in Eibingen oberhalb von Rüdesheim gewesen.
Das Rügebuch ist Ausdruck der „niederen“ Dorfgerichtsbarkeit und protokolliert gewissenhaft die kleineren Vergehen der Dorfgenossen sowie die damit verbundene Bestrafung. Dieses Gericht tagte in Groß-Karben am Ortsausgang nach Heldenbergen – heute steht dort noch der inzwischen erneuerte Gerichtsbaum – und ahndete zum Beispiel Verletzungen der allen gehörenden Allmende, Nachbarschaftsstreitigkeiten, Flur- und Feldbeschädigungen.
Die hohe Blutgerichtsbarkeit hingegen wurde seit dem 13. Jahrhundert in Kaichen am Freigerichtsstuhl (gelegen an der B45 nahe Kaichen – heute noch gut erhalten mit „Steinernem Tisch“, Schöffensitzen, Resten der alten Gerichtssäule und hohen Gerichtsbäumen) auf altem Königsgut von Bauern und Adel gemeinsam ausgeübt.
300 Jahre alt
Der Geschichtsverein Karben ließ dem in zirka 300 Jahren alt und unansehnlich gewordenen Buch – etwa durch Tintenfraß – eine aufwendige und fachlich hervorragende Restaurierung unter Einsatz erheblicher eigener, aber auch etlicher privater Spendenmittel angedeihen. Bei der Abholung des restaurierten Werkes wurde der Delegation ein gründlicher Restaurierungsbericht überreicht. In dem Bericht haben die Restaurateure mit großer Sorgfalt beschrieben, wie der Zustand des Rügebuches bei der Übergabe war und wie sich der Restaurierungsvorgang entwickelte. Die Delegation stellte fest, dass der Verein jetzt wieder über ein seltenes einzigartiges und ansehnliches örtliches Sammeldokument verfügt, das hoffentlich wieder viele Generationen aushält.
Die Werkstattleiterin, Sr. Dorothea Flandera OSB, ließ es sich nicht nehmen, die Restaurierung persönlich in einem interessanten Rundgang durch die mehrere Räumlichkeiten umfassende und technisch hochgerüstete, laborähnlich ausgestattete Werkstätte zu erläutern.
Auf Wunsch der Teilnehmer erfolgte anschließend an die Übergabe noch eine kunsthistorische Führung durch die von Beuroner Künstlern zu Ende des 19. Jahrhunderts ausgemalte große Abteikirche. Im Frauenchor der Abteikirche versammelt sich der ungewöhnlich große Konvent des vorbildlich geführten Klosters siebenmal täglich zu den in den Ordensregeln festgelegten Gebeten (Beginn: werktags um 5.30 Uhr, sonntags um 6 Uhr). Klöster erhalten in Deutschland keinen Anteil an der Kirchensteuer, sondern müssen selbst Sorge tragen für den gesamten eigenen persönlichen und sachlichen Aufwand (Gebäude).
Nach einem Besuch des Klosterladens mit seinen hervorragenden naturreinen eigenen Weinen nahm die gesamte Delegation verdienten Kurs und Einkehr in ein Johannisberger Weingut und sprach dort Wein und Winzeressen zu.
Der Geschichtsverein Karben beabsichtigt, das restaurierte Rügebuch/Gerichtsprotokollbuch der Karbener Öffentlichkeit im Laufe des Jahres im Rahmen einer Ausstellung zugänglich zu machen. Man darf dann auch darin blättern und nach eigenen Vorfahren suchen, aber nur unter Aufsicht. (zlp)